Als Dorn (Anna Loos) den Tod eines Bootsmanns aufklären will, stößt sie bei ihren Ermittlungen auf ein Schiffsunglück vor der Küste Italiens. In seinem siebten Beitrag für die ZDF-Reihe "Helen Dorn" entwickelt Friedemann Fromm, mehrfacher Grimme-Preisträger ("Unter Verdacht", "K3", "Die Wölfe") und immer ein Garant für Krimiklasse, eine komplexe Handlung, die neben der Ermittlungsebene auch diverse Dramen erzählt. Mehr und mehr ins Zentrum rückt dabei die Reederei Ahlsen, deren Schiffe unter anderem Elektroschrott nach Afrika transportieren. Matriarchin Sonja Ahlsen (Eleonore Weisgerber) hat Unternehmen und Familie eisern im Griff. Ihr Auftreten lässt keinen Zweifel daran, dass sie keine Skrupel hat, für das Wohl der Firma die geistige Gesundheit von Enkelin Viola (Alberta von Poelnitz) zu Opfern. Die junge Frau war als Praktikantin auf der "Julia Ahlsen", die vor einem Jahr nach einem Brand gesunken ist, und leidet seither unter einem Trauma.
Welche Rolle Viola damals gespielt hat und warum sie gegen Ende in Lebensgefahr gerät, wird Dorn jedoch erst später klar. Zunächst versucht sie zu rekonstruieren, wie Tayé Meseret (Karim Ben Mansur) ums Leben gekommen ist. Er ist aus großer Höhe ins Wasser gestürzt, offenkundig von Bord der "Jeanette Ahlsen", als das Schiff mit Hilfe von Schleppern aus dem Hafen manövriert wurde, doch weder die Crew noch Kapitän Lars Ahlsen (Janek Rieke) wollen etwas gesehen haben. Dem Lotsen auf der Brücke ist zwar ein Handgemenge aufgefallen, aber man hat ihm klar gemacht, dass es besser für ihn und seine Familie ist, wenn er die Beobachtung für sich behält. Also beschränkt er sich darauf, Dorn zu schildern, warum Giganten der Meere wie die "Jeanette Ahlsen" nicht eigenständig in die Elbe fahren dürfen. Eine als einzige Frau in dieser Männerwelt recht kernige, aber nicht unsympathische Schlepperkapitänin ergänzt die Ausführungen. Auf dieser Ebene wirkt der Film auch dank der Erzählungen eines alten Ex-Lotsen (Peter Franke) wie eine Reportage; die Aufnahmen vom Containerhafen, erst recht bei Dunkelheit, entwickeln zudem eine besondere Faszination.
Fromms Filme sind optisch ohnehin stets mit großer Sorgfalt gestaltet. Schon der Auftakt imponiert durch seine Bilder vom Hafen bei Nacht und Schneetreiben. Der Prolog endet mit Meserets Sturz in die Tiefe, dann folgt eine Rückblende in strahlenden Sonnenschein. Nun sorgt Fromm dafür, dass auch Dorn senior (Ernst Stötzner) zu einem wichtigen Akteur der Geschichte wird: Wegen eines Wasserschadens in seiner Kneipe hilft Richard Dorn in der Seemannsmission Duckdalben aus. Dort fällt ihm Meseret auf, der beim Telefonat mit seiner Mutter zornig ankündigt "Die Schweine werden bezahlen!". Der junge Mann gehörte zu den Überlebenden der "Julia Ahlsen". Yeshi Meseret (Dennenesch Zoudé) kommt nach Hamburg und bittet den alten Dorn, ihr ein Freund zu sein, bis sie den Leichnam ihres Sohnes mit nach Frankreich nehmen kann.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Mit großem Geschick kombiniert Fromm diese sehr persönlichen Momente mit der Krimi-Ebene, auf der Helen Dorn angesichts einer Mauer des Schweigens allerdings nur mühsam vorankommt. Zwei Männer wären schließlich zwar doch noch bereit, Licht ins Dunkel zu bringen, kommen aber nicht mehr dazu, eine Aussage zu machen. Zu allem Überfluss steht irgendwann Mutter Meseret unter Verdacht, den vermeintlichen Mörder ihres Sohnes erschossen zu haben.
Spätestens jetzt erweist es sich als glückliche Fügung, dass sie ausgerechnet einen ehemaligen Polizisten zum Freund auf Zeit erkoren hat. Als die Zuflucht der beiden Ziel eines Anschlags wird und Helen Dorn ein neues Zuhause braucht, knüpft Fromm clever an das Ende der letzten Episode an. Wegen der persönlichen Betroffenheit beider Dorns war "Der deutsche Sizilianer" (2024) emotional allerdings deutlich fesselnder; in "Mordsee" ist die Musik (Ina Meredi Arakelian) mitunter spannender als die Handlung. Der Film lebt nicht zuletzt vom thematischen Hintergrund, als sich rausstellt, dass die Reederei in eine zum Himmel stinkende Sauerei verwickelt ist. Nicht mehr lustig ist hingegen der sich nun schon über mehrere Episoden hinziehende Gefühlszwist zwischen Spurensicherer Weyer (Tristan Seith) und Rechtsmedizinerin Alighieri (Nagmeh Alaei). Dass Dorn von den ständigen Sticheleien nur noch genervt ist, lässt sich gut nachvollziehen.