Die Abstimmung der Union zusammen mit der AfD sei "ein Schlag ins Kontor", sagt der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weinberg zeigt sich besorgt darüber, dass "die Rechtsradikalen so stark geworden sind". Er hat drei Todesmärsche und die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt. Der größte Teil seiner Familie ist von den Nationalsozialisten ermordet worden. "Ich bin es ihnen schuldig, das Kreuz nicht mehr zu tragen", betont er.
Es würde sonst "zentnerschwer" auf ihm lasten. Gleich am Morgen nach der Abstimmung habe er es von einer Jacke abgenommen, an der es hing, und in eine Dose gelegt. "Ich war immer stolz, es zu tragen, jetzt nicht mehr." Albrecht Weinberg ist als Zeitzeuge vielfach geehrt worden. 2017 bekam er das Bundesverdienstkreuz. In seinem Geburtsort Rhauderfehn ist eine Schule nach ihm benannt worden. Der 99-Jährige ist nach wie vor bei Vorträgen unterwegs, um Lehren aus der Vergangenheit anzumahnen, oft gemeinsam mit dem Journalisten Nicolas Büchse, mit dem er ein Buch veröffentlicht hat. Gemeinsam mit Weinberg hat auch der Fotograf Luigi Toscano die Rückgabe des Bundesverdienstkreuzes angekündigt.
Die Holocaust-Überlebende Eva Umlauf warnt CDU-Chef Friedrich Merz davor, mit Zustimmung von Rechten Politik zu machen. "Gehen Sie auf die anderen demokratischen Parteien zu, finden Sie Kompromisse", schrieb die 82-Jährige in einem offenen Brief an Merz auf "sueddeutsche.de" am Donnerstag. "Kehren Sie um auf dem Weg, den Sie am Mittwoch beschritten haben." Die gemeinsame Abstimmung habe die demokratische Brandmauer in ihren Grundfesten erschüttert, schreibt Umlauf. An diesem Freitag könnte zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte ein Gesetz im Bundestag gemeinsam mit Rechtsextremen verabschiedet werden. "Die Brandmauer könnte niedergerissen werden", warnte Umlauf. "Tun Sie das nicht. Kehren Sie um, Herr Merz, so schwer es Ihnen auch fallen mag."
Friedman: Diese CDU kann nicht mehr meine sein
Michel Friedman sieht die Demokratie in Deutschland und anderen Ländern konkret gefährdet. In den nächsten Jahren entscheide sich, "ob Demokratien bestehen bleiben oder autoritäre Länder werden", sagte der Frankfurter Publizist jüdischen Glaubens am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Er sieht demokratische Länder von innen durch Extremisten und von außen durch autoritäre Herrscher bedroht. In dem Interview begründete der 68-Jährige in diesem Zusammenhang, warum er nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft aus der CDU austritt. "Diese CDU kann nicht mehr meine sein", sagte Friedman angesichts dessen, dass die CDU/CSU-Fraktion unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik mit Unterstützung der AfD durchgesetzt hatte.