Aschaffenburg, Würzburg (epd). Das Miterleben einer schweren Gewalttat wie bei der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg kann für Kinder unter drei Jahren unter Umständen schwere traumatische Folgen haben. „Grundsätzlich sind wir Menschen so gestrickt, dass wir auch mit belastenden Situationen umgehen können“, sagte Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Würzburg, am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dennoch könnten auch kleine Kinder Traumafolgestörungen entwickeln, die behandelt werden müssten.
Mit Blick auf die Messerattacke eines 28-jährigen Afghanen am Mittwoch auf eine Kita-Gruppe im Schöntal-Park in Aschaffenburg sagte Romanos, Kinder in diesem Alter könnten eine solche Gewalttat bereits komplett erfassen. „Die Reaktionen darauf sind aber - wie bei Erwachsenen - völlig unterschiedlich“, erläuterte er. Völlig normal sei, wenn Kinder als unmittelbare Reaktion auf solche Taten zum Beispiel Schlafstörungen, Albträume, ängstliches oder auch aggressives Verhalten entwickeln. Entscheidend sei, ob es akut oder chronisch sei.
„Eltern und Bezugspersonen können in der akuten Phase nach so einem Erlebnis Trost spenden, Sicherheit durch Nähe vermitteln“, sagte Romanos. Nicht hilfreich sei auch bei Kindern, die unterschiedlichen Reaktionen nicht ernst zu nehmen. „Sätze wie 'Das ist doch längst vorbei' oder 'Das war nicht so schlimm' helfen sicher nicht“, erläuterte der Experte. Ob ein Kind professionelle Hilfe benötige, zeige sich oft erst Wochen nach dem Erlebten: „Wenn das Erlebte den Alltag dauerhaft beeinträchtigt, sollten Eltern ihren Kindern Hilfe holen.“
Grundsätzlich seien alle Kinder- und Jugendpsychiater sowie Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten dafür ausgebildet, solche „Traumafolgestörungen“ zu behandeln. Ein wichtiger Bestandteil bei der Therapie sei die sogenannte Exposition, auch bei kleinen Kindern: „Das bedeutet, dass die Betroffenen die Situation, die sie als traumatisch erlebt haben, begleitet noch einmal erleben.“ Dadurch werde dem „singulären Ereignis sein Ort und sein Platz gegeben“, ohne dauerhaft bestimmend über den ganzen Alltag zu sein, sagte Romanos.