Die Zahl der Kirchenasyle ist im vergangenen Jahr gestiegen. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dem Evangelischen Pressedienst auf Nachfrage mitteilte, gingen 2.386 Meldungen ein, im Durchschnitt 199 pro Monat. Das waren gut 300 Fälle mehr als im Jahr 2023 (2.065).
Die im vergangenen Jahr gemeldeten Fälle betrafen nach Angaben des Bundesamts 2.966 Personen (2023: 2.703). Überwiegend waren es sogenannte Dublin-Fälle, das heißt, für das Asylverfahren der Betroffenen wäre eigentlich ein anderer europäischer Staat zuständig. Nur 39 Fälle hatten demnach keinen Dublin-Bezug, die Abschiebung drohte also in ein Land außerhalb der EU.
Nur in einem Fall wurde im vergangenen Jahr "eine außergewöhnliche Härte zuerkannt", wie das Bundesamt mitteilte. In diesem Fall erklärt sich Deutschland zuständig für das Asylverfahren und der oder die Betroffene dürfen bleiben. In den vergangenen Jahren wurden jeweils sehr wenige Fälle als Härtefälle vom Bundesamt anerkannt, 2023 waren es aber immerhin noch neun.
Das Bamf führt den Rückgang nach eigenen Worten darauf zurück, dass "tatsächliche Härtefälle" von der Behörde selbst erkannt würden. Die gemeldeten Kirchenasylfälle stellten nach fachlicher Einschätzung des Bundesamts "ganz überwiegend keine Härtefälle dar", sagte eine Sprecherin der Behörde.
Räumungsversuche befeuern Diskussion
In der Tat liege die Bewertung, was ein Härtefall ist, zwischen dem Bundesamt und den Kirchengemeinden inzwischen "oft weit auseinander", sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein. Die Kirchengemeinden schauten auf den Einzelfall. "Das dürfen wir auch von den Behörden erwarten", erklärte Stäblein. Die Anzahl der zu prüfenden Fälle und die Zahl derer, die sich damit befassen, führe aber dazu, dass die Begründungen und Antworten oft aus "Textbausteinen" bestünden, sagte der Berliner Bischof: "Jedenfalls höre ich das immer wieder."
Das Kirchenasyl hatte im vergangenen Jahr auch aufgrund von Räumungen oder Räumungsversuchen zu neuen Diskussionen geführt. Seit 2015 gibt es zwischen dem Bamf und den Kirchen eine Vereinbarung, die vorsieht, dass das Bundesamt Asylfälle erneut prüft. Die Kirchengemeinden sollen wiederum Dossiers zur Prüfung einreichen.
Praxis soll beibehalten werden
Stäblein zufolge gab es im Dezember Gespräche zwischen Vertretern des Bamf und den Kirchen. Dabei habe man sich darauf verständigt, an der damals getroffenen Vereinbarung festzuhalten. Mit Blick auf die Räumungen sagte Stäblein, es sei klar, "dass wir für die Kirchen die jahrelange gute Praxis des Nichtantastens sakraler Räume immer wieder in Erinnerung rufen". Er werbe dafür, dass das Handeln der Kirche als Dienst für die Gesellschaft wahrgenommen werde, "nicht als ein Gegen".
Oftmals enden Kirchenasyle trotz Ablehnung des Bamf erfolgreich, weil die Betroffenen erst nach der sogenannten Dublin-Überstellungsfrist die Gemeinde verlassen und dann nicht mehr abgeschoben werden können. Das führt regelmäßig zu Kritik von staatlicher Seite. Nur in einem Prozent der Fälle sei das Kirchenasyl nach Erhalt der Ablehnung im Jahr 2023 verlassen worden, "im vergangenen Jahr waren es null Prozent", sagte die Sprecherin der Behörde.