Experte warnt vor Arbeitspflicht für Bürgergeldbezieher

Experte warnt vor Arbeitspflicht für Bürgergeldbezieher
16.01.2025
epd
epd-Gespräch: Markus Jantzer

Nürnberg (epd. Der Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, hält wenig davon, Bürgergeldbezieher zur Arbeit zu zwingen. Eine Arbeitspflicht, wie sie derzeit öffentlich diskutiert wird, hätte gravierende Nachteile, sagte Fitzenberger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie würde „einen hohen bürokratischen Aufwand auslösen“. Die Arbeitsmotivation wäre gering, denn diese Menschen würden in Jobs gebracht, die sie sich nicht selbst ausgesucht hätten und die nicht mit ihren Qualifikationen übereinstimmten. Zudem bestehe das Risiko, „dass eine Arbeitspflicht reguläre, oft produktivere Beschäftigung verdrängt“, gab der Leiter der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu bedenken.

Spitzenpolitiker der Union sprechen sich für eine Arbeitspflicht für erwerbsfähige Bürgergeldempfänger aus. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte jüngst eine Jobpflicht für arbeitsfähige Hilfebezieher. Wer sich der Arbeit verweigere, dürfe kein Bürgergeld erhalten, sagte er. Aus der FDP kam Zustimmung zu dem Vorstoß. Bislang ist Schwerin die einzige Stadt in Deutschland, die eine Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger beschlossen hat. Kritiker warnen indes vor Zusatzkosten in Milliardenhöhe.

Fitzenberger verweist darauf, dass nur wenige Bürgergeldbezieherinnen und -bezieher Angebote der Jobcenter ablehnen. „Dies bestätigen die aktuellsten Zahlen zu Leistungsminderungen, früher Sanktionen genannt.“ Danach habe es zwischen Oktober 2023 und September 2024 rund 334.000 neue Leistungsminderungen im Bürgergeld gegeben. Der Leiter der Forschungseinrichtung der Arbeitsagentur betont: „Davon wurden nur knapp 28.000, sprich 8,4 Prozent, wegen der Verweigerung von Jobs, Ausbildung, Maßnahmen oder anderer Pflichten ausgesprochen.“

Trotz seines kritischen Blicks auf die Forderungen nach einer Arbeitspflicht sieht der Experte durchaus auch Vorteile der erzwungenen Beschäftigung. Betroffene könnten Beschäftigungserfahrungen sammeln. Zudem würde es eine Arbeitspflicht attraktiver machen, „einen Job anzunehmen, der ein höheres Einkommen als beim Verbleib im Bürgergeld bringt, weil man sowieso arbeiten muss“. Schließlich reduziere sich für Menschen im Bürgergeld die Möglichkeit der Schwarzarbeit.

Nach Fitzenbergers Ansicht darf „angesichts der aktuellen Debatte vermutet werden, dass ein großer Teil der Bevölkerung abstrakt eine Arbeitspflicht für Menschen im Bürgergeld befürwortet“. Wenn man jedoch die konkreten Herausforderungen der Umsetzung einer Arbeitspflicht beschreibe und die damit verbundenen Kosten und Nachteile aufzeige, „dann dürfte die Zustimmung für eine allgemeine Arbeitspflicht sinken“, sagte der Fachmann.