Erfurt (epd). Begründete Zweifel an einer nicht in der EU ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können Arbeitgeber dazu berechtigen, diese Krankschreibung nicht anzuerkennen. Das gilt laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom Mittwoch (AZ: 5 AZR 284/24) auch dann, wenn vermeintlich unverfängliche Umstände in der Gesamtschau Zweifel am Beweiswert des Attests begründeten.
Im konkreten Fall hatte der Kläger, ein Lagerarbeiter, in den Jahren 2017, 2019 und 2020 unmittelbar nach seinem Urlaub ärztliche Krankschreibungen eingereicht. Er erhielt Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Als er vom 22. August bis zum 9. September 2022 Urlaub hatte und diesen in Tunesien verbrachte, meldete er sich kurz vor Urlaubsende erneut krank. Er legte seiner Arbeitgeberin eine AU-Bescheinigung eines tunesischen Arztes in französischer Sprache vor. Darin wurde ihm Arbeitsunfähigkeit wegen starker Rückenschmerzen bescheinigt. Bis zum 30. September 2022, einem Freitag, wurde ihm häusliche Ruhe verordnet. Er durfte nicht reisen oder sich bewegen.
Dennoch buchte der Mann vor Urlaubsende am 8. September ein Fährticket für den 29. September nach Genua. Am nächsten Arbeitstag, dem 4. Oktober 2022, legte er eine Krankschreibung eines deutschen Arztes für weitere vier Tage vor. Die Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung wegen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit ab.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) München verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung. Die einzelnen Umstände der Krankschreibung könnten den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttern.
Das BAG urteilte hingegen, dass in der Gesamtschau durchaus Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit angebracht seien, die das LAG nochmals prüfen müsse. So habe sich der Kläger über mehrere Jahre im unmittelbaren Zusammenhang mit seinen Urlauben krankschreiben lassen. Zuletzt habe er trotz verordneter häuslicher Ruhe sofort ein Fährticket gebucht und sei vorzeitig nach Deutschland gereist. Für sich betrachtet, sei dies alles unverfänglich, in der Gesamtschau begründeten die einzelnen Umstände jedoch Zweifel am Beweiswert der Krankschreibung. Könne der Kläger diese nicht ausräumen, habe er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.