Berlin (epd). Der Sterbehilfeverein „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“ (DGHS) hat im vergangenen Jahr erneut in mehr Fällen Hilfe beim Suizid vermittelt. Wie die Organisation am Dienstag in Berlin mitteilte, haben von ihr vermittelte Ärzte im vergangenen Jahr 623 Menschen bei der Selbsttötung geholfen. 2023 waren es nach Angaben des Vereins 418, im Jahr davor 229.
Der Präsident des Vereins, Robert Roßbruch, rechnet nach eigenen Worten aber damit, dass die Entwicklung in der Form nicht weitergeht. Es sei ein „Sättigungsgrad an Anträgen“ erreicht, sagte er. Im Januar hätten sich die Fälle des Vereins auf dem Niveau des Vorjahresmonats bewegt. Zudem gingen die Zahlen bei anderen Organisationen zurück, ergänzte Roßbruch. Die Hamburger Organisation „Sterbehilfe Deutschland“ hatte in der vergangenen Woche einen Rückgang der Fallzahlen im vergangenen Jahr gemeldet - von 200 im Jahr 2023 auf 171 im Jahr 2024. Zudem vermittelt in Deutschland die Organisation „Dignitas“ diese Form der Sterbehilfe.
Roßbruch, dessen Organisation die meisten Fälle hat, beklagt aber auch mangelnde Information. Eine von seinem Verein beim Meinungsforschungsinstitut Forsa beauftragte Umfrage ergab, dass 83 Prozent der Menschen in Deutschland glauben, dass es verboten ist, Hilfe bei der Selbsttötung zu leisten. Befragt wurden dafür den Angaben zufolge im Oktober vergangenen Jahres 1.203 Volljährige per Telefon.
Die Zahl der Fälle, in der sich Menschen durch Hilfe von Sterbehilfeorganisationen das Leben nehmen, war seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz im Jahr 2020 stetig gestiegen. Die Karlsruher Richter hatten damals entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Es kippte damit ein pauschales Verbot organisierter Suizidassistenz. Eine neue Regelung, die diese Form der Sterbehilfe ermöglicht, gleichzeitig aber vor Missbrauch schützt, kam seitdem nicht zustande.
Die „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“, zuvor vorrangig ein Interessenverein, vermittelt seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts selbst Suizidhilfe. Voraussetzung ist nach Angaben des Vereins eine mindestens sechsmonatige Mitgliedschaft. Neben den Kosten dafür berechnet der Verein für die Hilfe bei der Selbsttötung eine Pauschale in Höhe von 4.000 Euro, bei Paaren, die sich gemeinsam das Leben nehmen wollen, 6.000 Euro.
In 38 Fällen nahmen sich 2024 Paare unterstützt von der DGHS gemeinsam das Leben - dreimal so viele wie im Jahr zuvor, wie Roßbruch sagte. In der überwiegenden Mehrheit entscheiden sich den Angaben zufolge hochaltrige Menschen für die Sterbehilfe. Motive seien Multimorbidität und „Lebenssattheit“.
In 18 Fällen habe die Organisation Suizide von Menschen, die in stationären Einrichtungen untergebracht waren, vermittelt, sagte Roßbruch. Darunter seien drei evangelische und zwei katholische Pflegeeinrichtungen gewesen. Während Suizidassistenz in evangelischen Einrichtungen „wesentlich liberaler“ gesehen werde, lehnten katholische Einrichtungen dies weiter kategorisch ab, sagte Roßbruch. In den beiden Fällen seien die Menschen per Krankenhaustransport zu Angehörigen gebracht worden, um sich dort und nicht in der Einrichtung das Leben zu nehmen. Roßbruch kündigte an, dass der Verein in einem nächsten vergleichbaren Fall gegen die Einrichtung klagen wolle.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach angesichts des Anstiegs der Fallzahlen von einer „traurigen Dynamik“ und einem „Geschäftsmodell mit der Selbsttötung“. Vorstand Eugen Brysch bedauerte, dass der Bundestag nicht „wenigstens den Profit mit der Selbsttötungsassistenz“ verboten habe. Eine angepasste Strafrechtsnovelle sei „überfällig“.