Salzgitter (epd). Nachhaltigkeit gewinnt aus Sicht des Wissenschaftlers Stefan Küblböck bei der Tourismusplanung in der Bundesrepublik zunehmend an Bedeutung. „Tourismus ist in Deutschland nicht auf dem Weg ins Unökologische - eher das Gegenteil“, sagte der Professor aus Salzgitter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Planer von heute hätten oft ein Bewusstsein dafür, Angebote etwa mit dem Schutz von Lebensräumen und den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang zu bringen.
Dennoch müsse bei ihnen und auch bei Reisenden dieses Bewusstsein noch stärker geweckt werden, betonte der Forscher mit Blick auf die anstehende Urlaubsplanung für 2025. Küblböck lehrt am Institut für Tourismus- und Regionalforschung der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter.
Einen Grundstein für die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit habe bereits im Jahr 1975 der Schweizer Tourismusforscher Jost Krippendorf mit seinem Buch „Die Landschaftsfresser“ gelegt, sagte Küblböck. Darin habe er darauf hingewiesen, wie etwa in touristischen Hochburgen durch neue Hotelanlagen wichtige Ökosysteme und Lebensräume förmlich zerschnitten worden seien. „Krippendorf hat ein klares Stoppzeichen dagegen gesetzt.“
Ein grenzübergreifender Meilenstein für ökologisch nachhaltigen Tourismus sei später die sogenannte „Alpenkonvention“ gewesen, die die Anrainerstaaten der Alpen im Jahr 1991 unterzeichneten. Der völkerrechtliche Vertrag sieht einen umfassenden Schutz und zugleich die nachhaltige Entwicklung der Alpen als touristisches Ziel vor. Deutschland hat die Alpenkonvention 1994 ratifiziert.
Touristisches Reisen sei nicht per se böse, betonte der Forscher. Es sei vielmehr positiv besetzt und schaffe Lebensqualität. Auch die wirtschaftlichen Aspekte für die Zielorte seien nicht unerheblich. Jedoch trage der Tourismus immer auch so etwas wie einen Selbstzerstörungsmechanismus in sich: „Etwa wenn heile Landschaften, antike Stätten oder die Suche nach Erholung durch Menschenandrang leiden.“ Dann sei es an der Zeit, durch gezielte Gegenmaßnahmen lenkend einzugreifen.
Als positive Beispiele nannte Küblböck Expeditionsboote, die auf den Galapagos-Inseln eingesetzt werden. „Diese Bootsfahrten wurden stetig weiter reglementiert, um die Reiseziele möglichst zu schonen.“ Ähnliches geschehe an Nordseestränden, wo durch kostenpflichtige Tageskarten der Zustrom an Gästen begrenzt werde, oder in der Alhambra in Granada und im Kolosseum in Rom, wo Besucherzahlen über Tickets mit Zeitslots geregelt würden.
Grundsätzlich wichtig sei es, bei den Reisenden eine entsprechende Handlungsbereitschaft gegen die problematischen Aspekte von Tourismus zu schaffen, sagte Küblböck. So gebe es zurzeit eine „Attitude-Behaviour-Gap“ - also eine Lücke zwischen der Einstellung und dem Verhalten. Statistisch sei Nachhaltigkeit für mehr als der Hälfte der Bevölkerung (56 Prozent) bei Urlaubsreisen bereits wichtig, erläuterte der Forscher: „Jedoch lediglich bei drei Prozent davon ist der Aspekt ausschlaggebend für die Buchung.“