Kunst in der Kirche: 42 Ideen zur Zukunft

epd/Doris Burger
Daniel Franz und Ana Baumgart mit Pfarrer Alexander Philipp (von links) präsentieren das Gemeinschaftskunstprojekt "Zukunft" in der frisch renovierten Christuskirche in Radolfzell.
Kunst in der Kirche in XXL
Kunst in der Kirche: 42 Ideen zur Zukunft
Das Wort "Zukunft" lässt sich auf dem großformatigen Bild an der Empore lesen. Das Kunstwerk ist ein Gemeinschaftsprojekt und bereichert für etliche Wochen die frisch renovierte Christuskirche in Radolfzell.

Es ist ein Gemeinschaftswerk in XXL, in dem 42 Menschen ihre Ideen eingebracht und ihre Entwürfe eingeschnitzt haben in Holzplatten, in harter handwerklicher Arbeit. Zwischen zehn und 85 Jahre sind sie alt, angeleitet von der kolumbianischen Künstlerin Juana Anzellini, die aus Berlin angereist war. Wie im Holz- oder Linolschnitt üblich, mussten alle Motive zunächst ins Negativ umgesetzt werden, denn gedruckt wurde letztlich ein Positiv. Nur wurde hier, dem großen Format geschuldet, mit einer Straßenwalze gedruckt, die über die Leinwände und die mit Farbe berollten Holzplatten fuhr.

Es ist eine Aktion des Kunstraums "KFZ - Kunst für Zukunft", bereits zum zweiten Mal temporär eingerichtet in einer früheren Autowerkstatt nahe der Radolfzeller Bahngleise. Der Druckprozess Ende September 2024 war ein Spektakel und Höhepunkt des Workshops: "Eine Botschaft - ein kollektives Bild" so lautete der Arbeitstitel, gefördert durch das Bundesprogramm "Demokratie leben!".

Dieses gemeinsame Gestalten sprach auch Pfarrer Alexander Philipp an, der die Evangelische Kirchengemeinde in Radolfzell leitet: "Das Bild ist ein kollektives Kunstwerk, in dem Menschen ihre Zukunfts-Hoffnungen, aber sicher auch Sorgen ausdrücken." Zukunft sollte gemeinsam gestaltet werden und müsse zugleich auch immer "errungen" werden. Ebenso müsse Kunst manchmal "errungen" werden, weil sie nicht einfach so entstehe, sondern als ein Prozess. Auch die Kombination von Typografie und bildlicher Gestaltung gefällt ihm gut. Von der Künstlerin Anzellini waren die Buchstaben vorgegeben, die sie aus unterschiedlichen Schriften entnommen hat.

Angeregt von der mittelalterlichen Buchkunst wurden sie durch die Teilnehmenden reich illustriert. Seit dem 7. Januar hängen die sieben Leinwände nun also an der Empore der Christuskirche, und sie sehen aus, als seien sie für diesen Raum geschaffen. Im Herbst 2023 war die Kirche, ein Betonbau von 1963, fertig renoviert worden. Eine Dauereinrichtung soll die Installation allerdings nicht werden. Sie soll etliche Wochen bestehen bleiben und als Anregung für die Predigten oder als Gesprächsanlass nach dem Gottesdienst dienen.

Dazu brachten die Kunstschaffenden Ana Baumgart und Daniel Franz, Leiter und Initiatoren des Kunstraums KFZ aus Berlin, auch einen Teil der Druckplatten mit in die Kirche. Sie stehen samt Erklärung im Foyer. Am 12. Januar um 10 Uhr werden sie das Projekt vorstellen. Die beiden sind nach über 15 Jahren in Berlin zurück an den Bodensee gezogen. Ihre Zukunftspläne: Die Kreise zu erweitern, rund um den Bodensee soll es gehen. Mit der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, die eine "White Box" für die Kunst hat, oder mit dem Kunstlabor in Schaffhausen haben sie schon Kontakt aufgenommen.

"Wir verstehen uns als Netzwerker. Als Ermöglicher von Kunst. Nicht selbst als Künstler", sagt Ana Baumgart. Die 38-jährige studierte Fotografin und Kuratorin will gemeinsam mit ihrem Mann Daniel Franz (44), die Kunst stärker in die Gesellschaft bringen, den Gedankenaustausch fördern und Gespräche anregen. Orte sollen als Türöffner dienen, wie in diesem Fall die Kirche. Die Ausstellung wird allerdings nur zu den Gottesdiensten und Veranstaltungen zu sehen sein. Damit dämpft Pfarrer Philipp vorbeugend die Erwartungen: "Eine offene Kirche zu sein, wäre natürlich toll. Aber das schaffen wir personell im Moment nicht."