Körperliche Nähe gegen seelische Not

Kuscheln als Therapie
epd-bild/Hagen Gruetzmacher
Bei der Kuscheltherapie geht es nicht um Sex, sondern um menschliche Nähe.
Kuscheln als Therapie
Körperliche Nähe gegen seelische Not
Alexandra Ueberschär arbeitet als Kuscheltherapeutin in Hamburg. Sie hilft Menschen, die einsam sind oder psychische Probleme haben. Bei der Kuscheltherapie geht es nicht um Sex, sondern um menschliche Nähe.

In der kleinen, hellen Praxis von Alexandra Ueberschär in Hamburg gibt es eine weich gepolsterte Fläche mit Kissen. Dort behandelt sie Menschen, denen körperliche Nähe fehlt. Ueberschär ist Kuscheltherapeutin. "Berührung ist wie Nahrung", sagt die gelernte Krankenpflegerin. "Wir brauchen Berührung, um uns selbst wahrzunehmen, um uns gesund zu fühlen und auch, um uns zu regulieren, wenn wir besonders im Stress sind."

Zum Beruf als Krankenpflegerin kam bei Ueberschär die Weiterbildung als sogenannte Multilevel-System-Coachin. Bei ihrer Arbeit mit Menschen, die seelische Hilfe suchten, stellte sie fest, dass Reden allein nicht immer reicht. "Ich habe gemerkt, dass die Menschen, die mir gegenübersitzen, mehr brauchen."

Vor dem Kuscheln gibt es immer ein therapeutisches Gespräch. Ueberschär will verstehen, woher das Gefühl der Einsamkeit und der Berührungsmangel kommen. Manche ihrer Patienten haben eine Trennung hinter sich, andere haben Missbrauchserfahrungen gemacht. "Viele Bekannte sagen zu mir, dass sie nie mit Fremden kuscheln könnten", sagt die Kuscheltherapeutin. "Dann antworte ich: Ich auch nicht. Wir fangen erst an zu kuscheln, wenn wir uns nicht mehr fremd sind."

Wie viele Sitzungen nötig sind, ist sehr unterschiedlich, erklärt die Kuscheltherapeutin. In einer akuten Trauerphase kann schon nach wenigen Kuscheleinheiten eine Besserung eintreten. Wenn ein Trauma oder eine lange Einsamkeit zugrunde liegen, dauert es oft länger. Die Behandlung muss privat bezahlt werden, die Krankenkassen übernehmen sie nicht.

Alexandra Ueberschär arbeitet als Kuscheltherapeutin in Hamburg. Sie hilft Menschen, die einsam sind oder psychische Probleme haben. Bei der Kuscheltherapie geht es nicht um Sex, sondern um menschliche Nähe. Viele Klienten, die zur Behandlung kommen, haben eine Trennung durchlebt oder leiden unter Missbrauchserfahrungen.

Trotzdem interessieren sich immer mehr Menschen für die Kuscheltherapie. "Die Corona-Zeit hat ein stärkeres Bewusstsein geweckt für die Themen Einsamkeit und das Fehlen von Berührung", meint Ueberschär.

Das erlebt auch Dr. Tobias Heinrich. Er arbeitet als psychologischer Psychotherapeut in Hamburg. Gerade in Großstädten seien Einsamkeit und fehlende menschliche Nähe keine seltenen Diagnosen, sagt er. "Berührungsmangel ist ein ganz großes Thema. In Großstädten ist für Erwachsene das Thema Berührung außerhalb von Sexualität echt schwierig geworden."

Sexuelle Kontakte können das Fehlen von Nähe nicht unbedingt ausgleichen, weiß der Psychotherapeut. Ein Berührungsmangel lässt sich auch in der Chemie des Körpers nachweisen. "Es ist bekannt, dass das Oxytocin ein Neurotransmitter und Hormon ist, das Glücks- und Wohlgefühl auslöst. Und dieser Stoff wird durch Berührung aktiviert", sagt Heinrich.

Wie intensiv die Berührung bei der Kuscheltherapie ist, hängt immer von der Patientin oder dem Patienten ab. Vom Handhalten oder Kopf in den Schoß legen, bis zur kompletten Umarmung. Alexandra Ueberschär hofft, dass ihre Patienten durch das Kuscheln wieder das Selbstvertrauen gewinnen, auch mit anderen Menschen körperliche Nähe zu erfahren und so die Einsamkeit hinter sich lassen können.