Armutsforscher Butterwegge: Karenztag steht für soziale Zeitenwende

Armutsforscher Butterwegge: Karenztag steht für soziale Zeitenwende
10.01.2025
epd
epd-Gespräch: Elisa Makowski

Köln (epd). Der Armutsforscher Christoph Butterwegge befürchtet vor dem Hintergrund einer Diskussion um einen Karenztag eine neue Runde des Sozialabbaus. „Der Vorschlag, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für den ersten Tag zu streichen, ist Ausdruck des Versuchs hochprofitabler Konzerne und wirtschaftsfreundlicher Spitzenpolitiker, eine soziale Zeitenwende zu erzwingen“, kritisierte Butterwegge im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ähnlich wie bei der Agenda 2010 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) würden damit immer mehr soziale Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingeschränkt.

Die Debatte um hohe Krankenstände war zuletzt vom Allianz-Chef Oliver Bäte befeuert worden. Er hatte in einem „Handelsblatt“-Interview vorgeschlagen, Arbeitnehmern am ersten Tag einer Krankmeldung keinen Lohn mehr zu zahlen und den sogenannten Karenztag wieder einzuführen. Dieser Vorschlag stieß bei den Gewerkschaften auf Kritik. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies den Vorschlag zurück. Der Karenztag bei Krankmeldungen wurde in den 1970ern abgeschafft.

Butterwegge betonte, dass die Kürzung von sozialen Leistungen und die Einschränkung von sozialen Rechten immer überproportional die Ärmsten treffe. „Wenn eine alleinerziehende Mutter, die sich abrackert, den Krankheitstag nicht bezahlt bekommt, trifft sie das sehr viel härter als besser Verdienende.“ Der Vorschlag eines Karenztages deute auf eine schwindende soziale Sensibilität und mangelnde Solidarität hin, sagte Butterwegge.

Der Vorschlag eines Karenztages falle auf fruchtbaren Boden in einem sich dramatisch verschlechternden sozialen Klima, sagte Butterwegge weiter. Einerseits werde der Ruf nach steigenden Rüstungsausgaben lauter, andererseits gezielt Stimmung gegen Geflüchtete und Bürgergeldempfänger gemacht, denen es angeblich zu gut gehe. Gleichzeitig würden Arbeitnehmer heutzutage mittels übertriebener Bedrohungsszenarien angehalten, den Gürtel enger zu schnallen und auf soziale Rechte zu verzichten, die von den Gewerkschaften mühsam erkämpft worden seien.