TV-Tipp: "Wilsberg: Über dem Gesetz"

Getty Images/iStockphoto/vicnt
11. Januar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Über dem Gesetz"
"Was ist der Unterschied zwischen Gott und einem Juristen? Gott glaubt nicht, er sei Jurist." Der alte Anwaltswitz enthält mehr als bloß ein Körnchen Wahrheit und bildet die Basis von Stefan Rogalls Drehbuch zum "Wilsberg"-Krimi "Über dem Gesetz" findet evangelisch.de Mitarbeiter Tillman Gangloff.

Zentrale Figur ist ein von Johann von Bülow mit angemessen viel Arroganz verkörperter Jura-Professor, der sich dank eines engmaschigen Netzwerks für unantastbar hält. Der Mann kennt nicht nur alle und jeden, er hat ähnlich wie die Titelfigur aus Mario Puzos Roman "Der Pate" mit Hilfe einer Vielzahl kleinerer und größerer Gefälligkeiten dafür gesorgt, dass ihm sehr viele wichtige Menschen zu Dank verpflichtet sind. 

Ausgerechnet diese juristische Koryphäe ist nun Auftraggeber von Georg Wilsberg (Leonard Lansink): Henning Breeker ist überzeugt, dass er observiert wird; der Antiquar und Privatdetektiv soll rausfinden, wer der Stalker ist. Der Professor ist berüchtigt dafür, seine Mitmenschen spüren zu lassen, dass er sie größtenteils für unzulänglich hält; die Anzahl der Personen, die von ihm gedemütigt wurden, ist ziemlich umfassend. Zu dieser Gruppe zählt auch die Kollegin Schunk (Eva Bay); Breeker vermutet, dass sie sich an ihm rächen will. Wilsberg glaubt das nicht, zumal ihm die Dozentin recht sympathisch ist.

Tatsächlich stellt sich raus, dass es sich bei dem Stalker um einen Jurastudenten handelt. Breeker erwischt den jungen Mann beim Einbruch in seine großzügige Villa: Jan Seiters ist durch mehrere Klausuren gefallen, offenbar hat er nach Informationen über die nächste Prüfung gesucht. Bei seiner Flucht bricht er tot zusammen: Er hatte einen Herzfehler, die Aufregung hat ihn wohl das Leben gekostet. Für Kommissarin Springer (Rita Russek) ist der Fall damit erledigt; für Wilsberg selbstverständlich nicht. 

Rogall schreibt schon seit vielen Jahren Drehbücher für die Reihe, entsprechend gut kennt er die Figuren. Auch Regisseur Philipp Osthus ist mittlerweile festes Mitglied der "Wilsberg"-Familie, inklusive "Über dem Gesetz" hat er sechs der letzten zehn Filme inszeniert. Die ersten fünf waren, von einem Ausreißer nach unten abgesehen, allesamt mindestens sehenswert. Der letzte, "Blut geleckt" (2024) erfreute zudem durch eine fesselnde Umsetzung, zumal die Story über ein in Serie mordendes vermeintliches Münster-Monster sehr originell war. Für Rogalls Vorlagen gilt das oft auch, meist sind sie zudem recht witzig, mitunter jedoch bloß handelsübliche Krimiware. Die 84. Episode des ZDF-Dauerbrenners liegt irgendwo in der Mitte. Das gilt auch für die Inszenierung: Das Erzähltempo ist fast schon zu gemächlich. 

Andererseits kommen auf diese Weise die Figuren gut zur Geltung, zumal alle Ensemble-Mitglieder direkt oder indirekt mit Breeker verbunden sind: Anwältin Tessa (Patricia Meeden) hat einst bei ihm studiert und keine guten Erinnerungen an den selbstverliebten Professor. Ekki (Oliver Korittke) führt eine Steuerprüfung bei dessen Schwester durch; Yvonne Durynek (Tanja Schleiff) ist eine der erfolgreichsten Immobilienmaklerinnen der Stadt und überschreitet bei ihren vielfältigen Versuchen, den Finanzbeamten bei Laune zu halten, einige rote Linien. Overbeck (Roland Jankowsky) schließlich setzt sich über die ausdrückliche Anweisung seiner Chefin hinweg und bleibt an der Sache dran. Der Oberkommissar ist wieder mal für die heitere Seite des Krimis zuständig: Um zu belegen, dass sein Spitzname "Egobeck" jeglicher Grundlage entbehrt, soll er sich als Teamplayer beweisen.

Da sein Widersacher Drechshage vorübergehend ins Archiv verbannt worden ist, bekommen Kommissarsanwärterin Wolfangel (Sarah Alles-Shahkarami) und Streifenpolizist Lüdke (Andreas Merker) mehr Raum als sonst, was nicht nur den Ermittlungen, sondern auch dem Film gut tut. 

 Interessant sind auch die verschiedenen Ausführungen über Gerechtigkeit. Gleich zu Beginn setzt sich Wilsberg als Gastdozent mit dem Thema auseinander. Später wird Schunk verhaftet, als sie während einer Vorlesung ausgerechnet über die Verflechtung von Machtstrukturen spricht. Spätestens jetzt hätte Breeker wieder mal gewonnen, wenn sich der Detektiv nicht in den Fall verbeißen würde: Ein Foto in einem Notizbuch, das der verstorbene Student in seinem Aquarium versteckt hat, führt ihn zu einem Hotel vor den Toren der Stadt. Ein beiläufig ins Bild genommenes Kreuz am Rand einer Landstraße entpuppt sich als Schlüssel zur Lösung, doch bis Wilsberg erkennt, dass er es mit einem typischen Fall von Täter/Opfer-Umkehr zu tun hat, geraten noch zwei weitere Personen in Lebensgefahr.