"Augenlicht ist das schönste Geschenk"

Jesca und ihre Mutter nach der Operation am Ufer des Viktoriasees.
CBM/argum/Thomas Einberger
Die kleine Jesca war am Grauen Star erkrankt und blind. Nach der Operation kann Jesca wieder sehen.
Blindenmission in Afrika
"Augenlicht ist das schönste Geschenk"
Weihnachten steht vor der Tür und Kerzenschein und Lichterketten erhellen die Wohnungen. Um ein anderes Licht geht es der Christoffel Blindenmission (CBM): das Augenlicht! Heiko Philippin von der CBM operiert Kinder und Erwachsene in den ärmsten Regionen der Welt, die durch den Grauen Star erblindet sind. evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone hat den Augenarzt, der gerade aus Afrika zurückgekehrt ist, getroffen.

evangelisch.de: Herr Philippin, Sie lebten 12 Jahre mit Ihrer Frau und Ihren vier Kindern in Ostafrika – erst in Westkenia, danach in Tansania - wo sie im Auftrag der CBM tausende Menschen von Blindheit heilten. Was bedeutet die Auslandsarbeit für Sie?

Heiko Philippin: Für mich entstand eigentlich schon als Jugendlicher der Lebenstraum, eines Tages in fremden Ländern anderen zu helfen. Ich habe es oft als Privileg empfunden, in der westlichen Welt zu leben. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf Kosten anderer, ärmerer Menschen, lebe.

Also habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, ein bisschen für Ausgleich zu sorgen. Hinzu kommt, dass ich auch schon immer gerne reise und es spannend finde, andere Kulturen kennenzulernen. Seit der Konfirmation hat sich auch der Wunsch entwickelt, die Liebe Gottes praktisch weiterzugeben. Da meine Frau ähnliche Gedanken und Pläne hatte, haben wir es damals gemeinsam versucht, in die Tat umzusetzen. 

"Ich habe zwei Zuhause – Deutschland und Ostafrika."

Ich liebe meinen Beruf und bin dankbar für alles, was ich erleben durfte. Im Ausland zu arbeiten, war und ist für mich daher auch ein Stück weit die Erfüllung eines Lebenstraums. Und heute, nach meiner langjährigen Erfahrung in Afrika kann ich sagen: Ich habe zwei Zuhause – Deutschland und Ostafrika.

Die Graue Star-Operation ist bei uns eine Routine-OP, wir machen uns gar keine Gedanken über die Kosten. Die Ärmsten der Armen in Entwicklungsländern können sich diese medizinische Hilfe von ca. 30 Euro (125 Euro bei Kindern) gar nicht leisten. Was macht dieses Wissen mit einem?

"Man kann weltweit einen kleinen Beitrag zu weniger Erblindungen leisten."

Philippin: Als Augenarzt habe ich die Chance, mit einer kurzen Kataraktoperation das Leben von Menschen zu verändern. Man kann weltweit einen kleinen Beitrag zu weniger Erblindungen leisten, mit relativ geringem Aufwand. Medizinisch gesehen ist es ein faszinierender und effizienter Eingriff, der viel Freude macht. In der Medizin stoßen wir ja bei anderen Erkrankungen oft auch an unsere Grenzen, bei der Operation des Grauen Stars aber weniger.

Da es ein relativ unkomplizierter und günstiger Routine-Eingriff ist, ist es auf der anderen Seite auch traurig zu sehen, dass in ärmeren Ländern nicht genug operiert werden kann. Neben den fehlenden finanziellen Mitteln fehlt es auch an Operateuren. Gerade in den Gegenden, wo sie gebraucht werden.

Gerade in den ländlichen Gegenden wissen viele gar nicht, dass der Graue Star heilbar ist. Wie wichtig ist daher auch die Aufklärungsarbeit?

Philippin: Ja, Aufklärungsarbeit ist auch sehr wichtig. Wir sind in vielen CBM-Partnerprojekten ja nicht nur in der Klinik tätig, sondern gehen auch regelmäßig auf Außeneinsätze zu Menschen in die Dörfer. Viele Gegenden sind relativ dünn besiedelt, und die Anfahrt ist für Patienten langwierig und teuer. Wir fahren in entlegene Gebiete und untersuchen und operieren Patienten vor Ort.

"Die Leute fürchten wilde Gerüchte, die um die Operation ranken."

Gerade in ländlichen Gebieten haben Leute mehr Angst vor der Operation. Sie fürchten, dass das Auge aus dem Kopf genommen werden muss oder andere wilde Gerüchte, die um die Operation ranken. Daher ist Aufklärung wichtig. Das läuft einerseits über Betroffene, die von der eigenen Operation berichten, aber auch über Aufklärungsprogramme in Radioprogrammen.

Auch jetzt kehren sie für die Entwicklungsorganisation regelmäßig nach Afrika zurück. Hat sich die Situation verglichen mit ihrem ersten Einsatz 2006 geändert bzw. was muss noch getan werden?

Philippin: Es ist einiges passiert seit Anfang 2007, als wir nach Afrika umgezogen sind. Ein Bereich ist die Anzahl von Kollegen vor Ort. Während meiner Zeit in Ostafrika konnte ich als CBM-Mitarbeiter im Team viele junge Menschen zu Augenärzten oder anderen Fachkräften ausbilden. Auch jetzt bin ich noch im Bereich Ausbildung involviert. Vor wenigen Tagen war ich noch in Mwanza in Tansania, einer Millionenstadt am Lake Victoria. Dort am Bugando Medical Centre, einer Uniklinik, war in der Augenabteilung jahrelang meist nur ein Augenarzt tätig.

"In meiner Anfangszeit gab es statistisch gesehen einen Augenarzt auf eine Million Einwohner, jetzt sind es vier."

Jetzt sind dort sechs junge Oberärzte aktiv - vier davon habe ich selbst gemeinsam mit Kollegen ausgebildet. Es war schön, sie wiederzutreffen und zu erleben, wie gut sie ihre Arbeit machen. In meiner Anfangszeit gab es statistisch gesehen einen Augenarzt auf eine Million Einwohner, jetzt sind es vier.

Da hat sich in vielen afrikanischen Ländern schon viel getan, wobei in Tansania die Zahlen etwas weniger angestiegen sind. Diese Steigerung ist ein Erfolg, reicht aber noch nicht aus. In Deutschland gibt es über 80 Augenärzte pro Million Einwohner. Ich arbeite ja jetzt auch an der Augenklinik der Universität Freiburg und hier in Deutschland ist schon mehr möglich. Also gibt es weltweit betrachtet immer noch sehr viel zu tun.

Welcher ist ihr persönlicher Gänsehaut-Moment?

Philippin: Es gab viele Momente. Die Reaktion von Erwachsenen oder Kindern, die nach der Kataraktoperation wieder sehen können, ist immer wieder neu solch ein Moment. Manchmal habe ich die Gelegenheit, ein Team auf Recherche zu begleiten und Menschen nach der Operation zu Hause zu besuchen, auch um Spendern hier in Deutschland zu zeigen, was ihre Spenden vor Ort bringen.

Heiko Philippin von der CBM operiert Kinder und Erwachsene in den ärmsten Regionen der Welt, die durch den Grauen Star erblindet sind.

Oft erleben wir dann sehr besondere Momente, wenn die Menschen in ihrer eigenen Umgebung, in der sie zuvor mit ihrer Erblindung gelebt haben, aufblühen. Gerade auch Kinder wie Jesca, die dann mit ihren Freunden spielen oder alleine in die Schule gehen können. Aber auch die Operation an sich bringt Gänsehautmomente: Als Operateur sieht man zunächst unter dem Mikroskop die trübe Linse und kann bei fortgeschrittenem Grauen Star nicht in das Auge hineinsehen.

"Jede geglückte Operation ist ein Gänsehaut-Moment."

Am Ende der Operation strahlt einen die Augenrückwand wieder an, das reflektierte Licht des Operationsmikroskops kommt einem wieder entgegen. Das ist ein sehr schöner Moment, der oft bedeutet, dass Patienten, die von Angehörigen gebracht wurden, sich wieder alleine bewegen können, essen, die Station erkunden und sich wieder selbstständig auf den Heimweg machen. Das ist eigentlich jedes Mal ein Gänsehautmoment. 

Sie selbst schenken, erfüllen Träume und Wünsche. Aber was wünschen Sie sich eigentlich zu Weihnachten?

Philippin: Ein wichtiger Wunsch ist für mich, dass es mehr Ausgleich auf der Welt gibt. Dass zum Beispiel Kinder und Erwachsene, die mit wenig Kosten und einer kurzen Operation wieder sehen können, auch die Möglichkeit haben, das zu bekommen, was für uns fast selbstverständlich ist. 

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) unterstützt seit mehr als 115 Jahren Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnern sorgt sie dafür, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen grundlegend und dauerhaft verbessert. Sie leistet medizinische Hilfe und setzt sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Im vergangenen Jahr förderte die CBM über 379 Projekte in 40 Ländern.