Dass Namibia ein schönes Land ist, das sich auf jeden Fall lohnt zu besuchen, war mir schon lange klar. Aber wie sieht evangelisches Leben - und vor allem Evangelische Kirche - in einem Land aus, dass mehr als doppelt so groß ist als Deutschland und dabei grade einmal knapp drei Millionen Einwohner hat?
Um das heraus finden, habe ich mich auf den Weg nach Windhoek gemacht. Nach meinem Vikariat und 2. Theologischen Examen bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), kann ich für ein Jahr mitarbeiten im Pastorenteam von Windhoek der Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN). Diese ist mit ihren gut 4000 Mitgliedern und 14 Gemeinden im ganzen Land, die kleinste der drei Lutherischen Kirchen in Namibia. Daneben gibt es noch die Evangelical Lutheran Church in Namibia (ELCIN), entstanden aus der finnischen Mission und die Evangelical Lutheran Church in the Republic of Namibia (ELCRN), die ihre Ursprünge in der Rheinischen Mission hat. Dass es drei Lutherische Kirchen gibt, hat also etwas mit der Geschichte zu tun, aber auch damit, dass viele verschiedene Volksgruppen in Namibia leben, die unterschiedliche Sprachen sprechen.
Wenn man nun in der ELKIN unterwegs ist, ist das verbindende Element die deutsche Sprache. Aus Deutschland kommend ist dabei natürlich auch die Frage nach der Kolonialgeschichte präsent und wichtig. Die Möglichkeit hier ein Jahr zu arbeiten und zu leben, bietet auch eine gute Möglichkeit genau hin zu hören und die namibische Sicht auf diesen Teil der deutsch-namibischen Geschichte kennen zu lernen, sofern man denn von EINER namibischen Perspektive überhaupt sprechen kann. Darüber hinaus ist Namibia noch viel mehr und die Geschichte vor und nach der Kolonialzeit ist oftmals gar nicht so präsent.
Zurück nach Windhoek, zurück zur Lutherischen Kirche: Wie sieht mein Dienst hier aus? Das Pastorenteam in Windhoek besteht aus zwei Pfarrstellen und dem Bischof, der neben seinen kirchenleitenden Aufgaben, auch Gemeindepastor für Windhoek ist. Zur Zeit ist eine Pfarrstelle vakant und so bin ich neben einem von der EKD entsandten Pfarrer vollwertiger Teil des Pastorenteams. Denn: genug zu tun gibt es.
Wir betreuen nicht nur die Gemeinde in Windhoek mit der Christuskirche und Markuskirche als Gottesdienstorten, sondern wir sind auch für einen ganzen Kooperationsraum zuständig, der in etwa so groß ist wie die ganze Bundesrepublik Deutschland. Dazu gehören neben der Gemeinde Windhoek auch die Gemeinden Okahandja (70 km nördlich), Gobabis (220 km östlich), Maltahöhe (300 Km südlich), Lüderitz mit Helmeringshausen (800 km südlich).
Dazu kommen noch zahlreiche Farmgebiete, von denen jede Gemeinde mal mehr mal weniger hat. Nun wird sich aber auch jeder denken können, dass wir von Windhoek aus mit zweieinhalb Stellen nicht in allen Gemeinden jeden Sonntag einen Gottesdienst halten können und einmal die Woche bis nach Lüderitz fahren.
Neue und kreative Wege sind gefragt, die in Namibia schon viele Jahre funktionieren und vielleicht können wir uns davon in Deutschland auch etwas abschauen und von Namibia lernen.
Viele Kilometer – wenig Distanz
Bevor ich losfahre zu meinem ersten Farmgottesdienst, ermahnt mich unser Bischof: "Philipp, wenn du nach Witvlei (Anmerkung des Autoren: 160 km östlich) fährst, dann pass dort auf die Humps (Anmerkung des Autoren: künstliche Bodenwellen) am Ortseingang auf, die sind brutal. Da musst du echt langsam fahren!" Dieser kleine Hinweis hat mich zum Nachdenken gebracht. Wüssten wir in Deutschland, in welchem Dorf, oder Stadt 100 km weit entfernt, ob dort neue Bodenwellen auf die Straße gesetzt wurden? Oder was dort genau vor sich geht, was die Menschen dort bewegt? Hier in Namibia weiß man es. Es ist zwar ein großes Land, aber eine kleine Gemeinschaft. Alle Wissen, besonders die Farmer, dass man zusammen halten muss, um den Herausforderungen, in dem oftmals weiten und kargen Land zu begegnen. Und der Aspekt der Gemeinschaft und des Zusammenhalts begegnet einem auch immer wieder in der Kirche. Man kennt sich. Auch über hunderte Kilometer entfernt, weiß man was los ist bei seinen Glaubensgeschwistern.
Bevor ich nach Namibia kam, habe ich in einem Mehrfamilienhaus in Frankfurt gewohnt und kannte (sicherlich nicht ganz unverschuldet) nicht einmal die Namen meiner Nachbarn. Hier habe ich manchmal den Eindruck, die Menschen sind sich, trotz – oder grade wegen – der Weite, näher als bei uns in Deutschland. Auch weil viele ähnliche Herausforderungen haben.
Das Land lechzt nach Wasser. In der vergangenen Regenzeit, hat es viel zu wenig geregnet. Im April hat es das letzte Mal geregnet und das Land ist im wahrsten Sinne des Wortes – auch dank des feinen Kalahari Sandes – staubtrocken. Die Natur, die Tiere und die Menschen leiden unter der Trockenheit. Ohne Wasser gibt es kein Leben und kein Überleben. So wird in der Christuskirche in Windhoek traditionell Ende November ein Regenbittgottesdienst gefeiert, mit der Bitte um Regen und eine gute Regenzeit, zum Wohle aller. Denn zur Dürre gesellt sich schnell Hunger, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Dieses Jahr stand auf dem Gottesdienstplan neben dem Regenbittgottesdienst mein Name. Ich musste erstmal selbst herausfinden, was das ist und was dort passiert. Das hat mich dazu gebracht, in einem so trockenen Land, wo sich wirklich jeder über Regen freut, auch bei einem Spaziergang, wenn man keinen Schirm dabei hat, oder bei einer Hochzeit, oder Beerdigung, über das Thema Wasser nachzudenken, als lebensschenkende Kraft. Wasser begegnet uns nicht zuletzt in der Taufe auch im Gottesdienst immer wieder. Ich dachte mir: "Alles Gute kommt von oben: Regen und Segen" und so haben wir – nach Meinung der Gemeinde – einen schönen Regenbittgottesdienst gefeiert und hoffen auf eine gute Regenzeit hier in Namibia.
Wer sich nun angesprochen fühlt, den möchte ich gerne dazu einladen mit einzustimmen in unser Gebet und um genug Regen und Wasser hier in Namibia zu bitten, für uns alle, so dass die Dämme wieder gefüllt sind und alle genug zu Essen haben. Vielleicht ja schon zu Weihnachten?