Warnungen vor verfrühter Debatte über syrische Geflüchtete

Warnungen vor verfrühter Debatte über syrische Geflüchtete
Bamf setzt Asylverfahren für Syrer aus
Nach dem Sturz des Assad-Regimes setzt das Bundesamt für Migration Asylverfahren für Syrer aus. Unterdessen wird über die mögliche Rückkehr syrischer Geflüchteter debattiert. Zu früh, sagen Regierungsvertreter, Experten und Menschenrechtler.

Berlin (epd). Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien trifft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vorerst keine Entscheidungen über Asylanträge von geflüchteten Syrerinnen und Syrern. Die Lage in Syrien sei „unübersichtlich und schwer zu bewerten“, teilte das Amt am Montag auf Nachfrage mit. Je nach Entwicklung in dem Land werde das Bamf seine künftige Entscheidungspraxis überprüfen und anpassen, erklärte eine Sprecherin. Nach einem Bericht des „Spiegel“ geht es um rund 47.000 Asylanträge. Das Bundesamt äußerte sich dazu nicht.

In Deutschland hat mit dem Ende des Assad-Regimes eine Debatte über die Rückführung syrischer Flüchtlinge eingesetzt. Politiker, Experten und Menschenrechtler meldeten sich zu Wort. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnte zu Geduld. Viele syrische Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz gefunden haben, hätten nun wieder eine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat, sagte die Politikerin in Berlin. Doch seien angesichts der unübersichtlichen Lage „konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren“, sagte Faeser.

Amnesty International kritisierte die Entscheidung des Bamf, die Asylverfahren für Syrer auf Eis zu legen, als „völlig falsches Signal“. Schutzsuchende dürften nicht alleingelassen werden, bis das Auswärtige Amt und das Bundesamt die Entscheidungspraxis an die neue Lage angepasst hätten.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl bezeichnete Rückkehr-Aufrufe als Missachtung internationaler Schutzverpflichtungen und Zeichen mangelnder Empathie gegenüber Menschen, die großes Leid erfahren hätten.

Der Sprecher des Außenministeriums, Sebastian Fischer, kündigte ein neues Lagebild für Syrien an. Für Fragen des Asylrechts und Flüchtlingsschutzes sei entscheidend, ob künftige Entscheidungsträger den Schutz aller Minderheiten garantieren, sagte Fischer, darunter Christen, Drusen und Kurden.

Dem Innenministerium zufolge leben knapp eine Million Syrerinnen und Syrer in Deutschland, die Mehrzahl als international anerkannte Flüchtlinge oder Bürgerkriegsflüchtlinge. Eine Sprecherin sagte, rechtlich sei es möglich, ihren Schutzstatus in Deutschland zu widerrufen. Doch dafür sei wesentlich, ob sich die Lage in Syrien dauerhaft geändert und stabilisiert habe.

Für die Union forderte der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Torsten Frei (CDU) in der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstag), das Bamf solle sich rasch auf die Überprüfung der den syrischen Flüchtlingen zugesprochenen Schutztitel vorbereiten.

Demgegenüber warnte Anton Hofreiter (Grüne) davor, nach dem Sturz des Assad-Regimes Flüchtlinge unter Druck zu setzen. „Überlegungen, härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).

Die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf sagte, die Debatte um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge komme zu früh. Der Deutsche Landkreistag warnte in der „Rheinischen Post“ vor der Einreise von Assad-Unterstützern nach Deutschland.

Auch der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein rief zur weiteren Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien auf. Geflüchtete aus Syrien, die in Deutschland sind, müssten darauf vertrauen können, dass sie weiterhin Schutz finden und nicht abgeschoben werden, erklärte der Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen am Montag in Berlin.

Vor dem Bürgerkrieg in Syrien, der 2011 mit einem Volksaufstand gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad begonnen hatte, waren Hunderttausende Syrer nach Deutschland geflohen.