Bremerhaven (epd). Der sprunghafte Anstieg der Erderwärmung ist Wissenschaftlern zufolge möglicherweise auf weniger niedrige Wolken zurückzuführen. Ihr Fehlen beeinträchtigt die Fähigkeit der Erde, Sonnenstrahlen zu reflektieren, wie das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung mitteilte. Dabei gehe es maßgeblich um niedrige Wolken in nördlichen mittleren Breiten und in den Tropen. Ein Team um das AWI hat nun im Fachjournal Science eine Studie dazu veröffentlicht.
Dem AWI zufolge reflektieren Wolken in allen Höhen Sonnenlicht und haben so eine kühlende Wirkung. Wolken in hohen, kalten Luftschichten hätten jedoch zusätzlich auch eine wärmende Wirkung, weil sie die Wärme, die die Erdoberfläche abstrahle, in der Atmosphäre hielten. „Das entspricht im Grunde der Wirkung von Treibhausgasen“, erklärte der Klimaphysiker Helge Gößling, Hauptautor der Studie. Diese Wirkung fehle jedoch weitestgehend bei niedrigeren Wolken. „Gibt es weniger niedrigere Wolken, verlieren wir nur den Kühleffekt, es wird also wärmer.“
Gößling zufolge lässt vor allem die Erderwärmung die Wolken verschwinden. Das legten einige Klimamodelle nahe. Auch ein geringeres Maß an menschenverursachten Schwebeteilchen in der Atmosphäre - maßgeblich an der Wolkenbildung beteiligt - etwa durch strengere Auflagen beim Schiffsdiesel treibe den Effekt möglicherweise an.
Aufgrund dieser Rückkopplung „könnten wir einer globalen Klimaerwärmung von über 1,5 Grad Celsius bereits näher sein als bislang gedacht“. Die verbleibenden Treibhausgasemissionen, die mit diesen Haltelinien des Paris-Abkommens verbunden seien, müssten entsprechend nach unten korrigiert werden. Gößling: „Und Maßnahmen gegen die Folgen zu erwartender Wetterextreme würden noch dringlicher.“
2023 verzeichnete die globale Durchschnittstemperatur laut AWI mit einem Anstieg auf fast 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau einen neuen Höchstwert. Ein Großteil davon ist durch menschengemachte Einflüsse sowie das Wetterphänomen El Niño erklärbar - bis auf eine Lücke von 0,2 Grad Celsius, die das AWI-Team jetzt unter anderem unter Verwendung von Satellitendaten der NASA mit dem verminderten Rückstrahlvermögen erklärt.