TV-Tipp: "Engel mit beschränkter Haftung"

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4. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Engel mit beschränkter Haftung"
Laut der reinen Bibellehre kann sich der Mensch das Paradies nicht erarbeiten; Voraussetzung für ein ewiges Leben an der Seite von Gott ist allein der Glaube. Die Vorstellung, dass selbst ein Mörder in den Genuss jenseitiger Erfüllung kommen kann, ist natürlich nur schwer erträglich, deshalb hat sich die lateinische Kirche das Fegefeuer ausgedacht. Eine Tragikomödie, die auch noch spannend ist.

Der Aufenthalt im Purgatorium lässt sich allerdings durch gute Taten verkürzen; auf diese Weise sollten die Gläubigen zu einem gottgefälligen Leben animiert werden. Wer zwar kein Mörder, aber nur halbherzig im Glauben verwurzelt ist, muss sich den Einzug ins Himmelreich erst noch verdienen; so sieht es zumindest der Jenseitsentwurf von Uli Brée vor.

Hauptfigur der Tragikomödie "Engel mit beschränkter Haftung" ist Oskar (Harald Krassnitzer mit Zottelperücke), ein Wiener Öko-Aktivist, der 1985 "plötzlich und unerwartet" mit sechzig Jahren gestorben ist. Nach fast vier Jahrzehnten als Schutzengel winkt ihm endlich das ewige Leben. Aus der Pensionierung wird jedoch nichts, weil er gleich zwei letzte Aufträge verbockt hat. Jona (Sascha Soydan), seine Vorgesetzte, gibt Oskar eine letzte Chance, die ihm allerdings gar nicht behagt: Der Mann, den er vor einem verfrühten Ableben bewahren soll, ist ein skrupelloser Drogendealer. Zu allem Überfluss muss der Schutzengel nebenbei auch noch seine Nachfolgerin ausbilden. Dass der Tod der jungen Mira (Maresi Riegner) ebenfalls auf sein Konto geht, verschweigt er ihr lieber; sie hat sich einen "goldenen Schuss" gesetzt.

All’ das ist aber nur die Basis für Brées Geschichte, und weil es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Drehbuch handelt, wirft die Handlung einige Fragen auf. Dass Oskar immer noch in seiner alten Wohnung leben kann, die aus Miras Sicht das reinste Museum ist, wird im weiteren Verlauf zwar plausibel beantwortet, aber viele andere Dinge bleiben offen. Gerade rund um das Engelgeschäft wirken nicht alle Erklärungen logisch. Wenn’s um Widersprüche zur Heiligen Schrift geht, merkt Oskar kurzerhand an, die Bibel sei schließlich von Menschen und nicht von Gott verfasst worden. Und die Hölle? "Alles nur Marketing." Da der Schutzengel eine sympathische Neigung zu bösen Scherzen hat, kann von gegenseitiger Wertschätzung zumindest zu Beginn keine Rede sein. Immerhin erweist sich Mira als außerordentlich begabt und eignet sich im Nu an, wofür Oskar Jahre gebraucht hat, zum Beispiel die Beeinflussung von Dingen und Menschen allein durch die Kraft der Gedanken.

Das klingt alles recht lustig, und viele Szenen sind zunächst in der Tat recht witzig, zumal der jungen Frau anfangs einige Missgeschicke unterlaufen. Dann entwickelt sich "Engel mit beschränkter Haftung" jedoch mehr und mehr zum Drama. Oskar will wissen, warum ein Kerl wie der Dealer (Denis Schmidt) Anspruch auf einen Schutzengel hat. Die Chefin (!) habe ihre Gründe, sagt Jona, und tatsächlich ist der Typ bloß ein Mittel zum Zweck: In Wirklichkeit geht es um weit mehr als nur ein Menschenleben. Oskars Tochter (Regina Fritsch), eine Wissenschaftlerin, die heute ungefähr so alt wie ihr Vater bei dessen Tod, ist drauf und dran, einen Fehler mit tödlichen Folgen zu begehen, und selbst die Umstände, die einst zu Oskars Ableben geführt haben, spielen unversehens eine Rolle.

Im letzten Akt hätte aus dieser Geschichte auch gut und gern ein Thriller werden können; tatsächlich wird es recht spannend. Trotzdem bleibt der Film auch dank der munteren Musik (Stefan Bernheimer) seiner heiteren Note treu. Schon allein die Kombination des eigenbrötlerischen alten weißen Mannes und der cleveren jungen Frau, die sich seit ihrem Tod so lebendig fühlt wie schon lange nicht mehr, birgt viel komischen Zündstoff. Wie Mira Licht und Luft nicht nur in Oskars Wohnungsgruft, sondern auch in sein verbittertes Dasein bringt, ist sehr schön ausgedacht und noch besser umgesetzt. Für Freude sorgen nicht zuletzt die Details: Das Hauptquartier der Eingreiftruppe befindet sich in der imposanten Karl-Borromäus-Kirche auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die Schutzengel tragen die Kleidung, in der sie gestorben sind: Wenn man stirbt, erklärt Oskar seinem Lehrling, dreht sich die Welt weiter, aber die eigene Uhr bleibt stehen; das Kostümbild ist ein entsprechendes Sammelsurium unterschiedlichster Modestile. Der Film ist bereits 2022 entstanden und die zweite Zusammenarbeit von Brée und Regisseur Dirk Kummer nach "Faltenfrei" (2021), einer bissigen Satire auf den Schönheitswahn. Kürzlich hat die ARD mit dem gleichfalls herausragenden Drama "Ungeschminkt" ihren dritten gemeinsamen Film gezeigt.