Sexualisierte Gewalt: Bischof Meister warnt vor falscher Vergebung

Sexualisierte Gewalt: Bischof Meister warnt vor falscher Vergebung

Hannover (epd). In der Diskussion um die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Kirche hat der hannoversche Landesbischof Ralf Meister vor einem falschen Verständnis von Vergebung gewarnt. Wenn vorschnell und leichtfertig Vergebung für solche Taten eingefordert werde, schütze dies am Ende nur die Täter und verletze ein weiteres Mal die Betroffenen, sagte Meister am Mittwoch in Hannover in seinem Bericht vor der evangelischen Landessynode, dem Kirchenparlament. Reue, Buße, Umkehr und Gerechtigkeit würden dabei übersprungen, sodass sich das Denken und Verhalten nicht wirklich verändern könnten.

Im Rückblick auf Fälle von sexualisierter Gewalt und die Reaktionen der Kirche darauf sagte Meister: „Vergebung wurde schnell und unreflektiert aufgerufen, um brutale Gewalttaten in die Logik einer göttlichen Handlung einzufügen und sie damit aufzulösen.“ Dieser Gebrauch sei nicht nur fahrlässig: „Er beschämt die betroffenen Personen ein weiteres Mal und zwingt sie, einer Logik pastoraler Machtausübung zu folgen.“ Der Unterschied zwischen „dem Sünder und der Sünde“ werde so verwischt.

Meister bezog sich in seinem Bericht auf Überlegungen der Bochumer Theologieprofessorin Klara Butting, die von einer „Vergebungskeule“ gesprochen hatte. Dabei würden Betroffene moralisch unter Druck gesetzt, einem Täter zu vergeben, und dafür kritisiert, wenn sie es nicht täten. Eine solche Forderung sei „gewalttätig“. Verletzte Menschen müssten auch das Recht haben, nicht zu verzeihen. Es gebe „keinen Weg, die Sache mit Gott abzumachen vorbei an den Menschen, die verletzt wurden“, sagte Meister.

In diesem Jahr war Meister, der auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist, nach der Veröffentlichung einer Studie zu sexualisierter Gewalt in einer landeskirchlichen Gemeinde in die Kritik geraten, weil Betroffene der Kirchenleitung vorwarfen, die Aufarbeitung nicht aktiv vorangetrieben zu haben. Betroffene forderten Meisters Rücktritt, den er ablehnte, aber Versäumnisse zugab.