Genf (epd). Die neue Verfassung Nicaraguas garantiert der Regierung laut UN-Experten faktisch uneingeschränkte Macht. Dies sei extrem besorgniserregend, teilte die vom UN-Menschenrechtsrat beauftragte Expertengruppe zur Lage in Nicaragua am Montag mit. Nicht nur erhebe die in der vergangenen Woche verabschiedete Verfassungsreform die Vizepräsidentin und Ehefrau von Präsident Daniel Ortega, Rosario Murillo, zur Ko-Präsidentin. „Sie sieht außerdem vor, dass alle Grundrechte während eines Ausnahmezustands außer Kraft gesetzt werden können“, kritisierten die drei Gruppenmitglieder.
Zudem werde das Verbot von Medienzensur aufgehoben, und die Hürden für Militärinterventionen im Inland würden gesenkt. Die Regierung muss demnach lediglich die Armee anfragen, wenn die „Stabilität“ des Landes es verlangt. Durch eine unkonkrete Sprache zementiere die Verfassung nun die bereits in der Praxis umgesetzte Aufhebung von Trennung, Unabhängigkeit, Gleichgewicht und gegenseitiger Kontrolle der verschiedenen Regierungsorgane und Gewalten.
„Mit dieser Reform - der zwölften seit der Rückkehr Daniel Ortegas zur Präsidentschaft 2007 - strebt die derzeitige Regierung die Legalisierung und Festigung ihrer uneingeschränkten Macht an“, erklärte der deutsche Jurist Jan-Michael Simon, der die Expertengruppe leitet. Die internationale Gemeinschaft müsse die nicaraguanische Regierung dazu drängen, die Trennung der Gewalten und andere demokratische Prinzipien wiederherzustellen.
Nach der sandinistischen Revolution regierte Ortega in Nicaragua zunächst als Mitglied einer Regierungsjunta und ab 1985 als gewählter Präsident bis 1990. 2007 setzte er sich bei Wahlen erneut durch und regiert seitdem ohne Unterbrechung zunehmend autoritär. Seit massiven Protesten im Frühjahr 2018 gehen Ortega und Murillo brutal gegen Kritiker vor, haben Tausende nichtstaatliche Organisationen verboten, Hunderte Oppositionelle inhaftiert oder ausgewiesen und machen auch vor der Kirche nicht Halt.