Bielefeld (epd). Ein Jahr nach ihrem Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen hat die Theologin Annette Kurschus als Gast vor der westfälischen Landessynode gesprochen und dazu aufgerufen, die kirchlichen Herausforderungen gemeinsam anzugehen. „Es ist gut für mich, heute hier zu sein, und es ist unerwartet vertraut“, sagte Kurschus am Sonntagabend vor der in Bielefeld tagenden Synode, die mit lautem und langem Applaus auf die kurze Rede reagierte. „Es ist jetzt an der Zeit, gemeinsam nach vorne zu blicken. Das braucht unsere Kirche bitter nötig. Und wir alle brauchen es auch.“
Sie habe mit ihrem Rücktritt von allen kirchenleitenden Ämter im November 2023 Verantwortung übernommen und dafür „einen verflixt hohen Preis bezahlt“, sagte die 61-jährige Theologin rückblickend. Umso wichtiger sei ihr, „dass wir gerade im Blick auf die Aufarbeitung unseres Umgangs mit sexualisierter Gewalt in unserer Kirche konstruktiv weitergehen und uns alle bemühen, dass da Gutes draus entsteht“.
Kurschus war am 20. November vergangenen Jahres nach fast zwölfjähriger Amtszeit als leitende Theologin der westfälischen Kirche zurückgetreten. Zudem gab sie ihr Amt als EKD-Ratsvorsitzende ab. Grund war mangelhafte Kommunikation im Zusammenhang mit einem Missbrauchsverdacht gegen einen ehemaligen Kirchenmitarbeiter aus ihrem Umfeld.
Ihr Leben sei „nun seit einem Jahr ein völlig anderes geworden“, sagte Kurschus vor dem Kirchenparlament, das bis Mittwoch seine Herbsttagung abhält. Seit Anfang April arbeitet die frühere Präses als Pastorin und Seelsorgerin in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld. Sie könne an diesem Ort „in großer Freiheit mit meinen Möglichkeiten wirken im Bereich der Seelsorge, im Bereich der Verkündigung, in der Arbeit an grundsätzlichen theologischen Fragen, an ethischen Fragen“, sagte sie. Außerdem nehme sie einen Lehrauftrag an der Universität Münster wahr.
Der Theologische Vizepräsident der westfälischen Kirche, Ulf Schlüter, würdigte das Wirken von Kurschus in ihren zahlreichen Ämtern. Als Präses habe sie ihrer Kirche Orientierung und Inspiration gegeben, sagte Schlüter, der die viertgrößte deutsche Landeskirche kommissarisch leitet. „Die Lücke, die dein Rücktritt in den letzten Jahren gerade hier sichtbar und spürbar hinterlassen hast, bleibt sehr groß.“
Einen „angemessenen und würdigen Abschied“ von Kurschus soll es nach Schlüters Worten vermutlich im Frühjahr oder Sommer 2025 geben. Anlass solle dann die Einführung der oder des künftigen Präses sein. Wer auf Kurschus folgt, ist noch offen. Da der einzige Kandidat für das Spitzenamt seine Kandidatur zurückgezogen hatte, sollen nun neue Kandidaten gesucht werden, die Wahl findet vermutlich im Frühjahr statt.