Vor der Synodenaula im Vatikan herrscht reger Trubel – die Presse drängt sich um die Teilnehmenden der Weltsynode, die nach vier Wochen intensiver Beratungen über Reformen in der katholischen Kirche ihre letzten Interviews vor laufender Kamera geben. Während ich über den Petersplatz gehe, auf dem Weg zurück nach Sant’Anselmo, wo ich derzeit mein Auslandsstudienjahr verbringe, erreicht mich plötzlich wie viele andere eine Nachricht: "Der Papst hat das Dokument direkt angenommen. Es wird kein nachsynodales Schreiben geben."
Noch nie hat ein Papst nach einer Synode auf ein solches Schreiben verzichtet. Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. und bei den letzten Synoden auch Franziskus verabschiedeten stets eigene Texte, die die Diskussionen aufgriffen und auslegten. In seiner Abschlussansprache verkündet Papst Franziskus, dass er auf ein eigenes Schreiben verzichte. "Das, was wir angenommen haben, ist genug", erklärte er.
"Das Dokument enthält bereits konkrete Hinweise, die der Kirche auf den Kontinenten und in verschiedenen Kontexten als Richtschnur dienen können." Damit überlässt der Papst das letzte Wort den Synodenteilnehmenden selbst – ein bemerkenswerter Schritt, der deutlich macht, dass der Papst ihre Entscheidungen respektiert. Dieser Verzicht auf ein lehramtliches Schlusswort unterstreicht das neue Bild einer Kirche, die sich auf das Zuhören ausrichtet.
Nicht-Bischöfe erhalten Stimmrecht
Bereits vor den großen Generalversammlungen in Rom gab es zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligung. In vielen Diözesen wurden Konsultationen durchgeführt, um die Meinungen und Anliegen der Gemeindemitglieder zu erfassen. Diese partizipative Herangehensweise hatte das Ziel, eine breitere Basis für die Diskussionen in Rom zu schaffen und sicherzustellen, dass die Anliegen möglichst vieler in den Entscheidungsprozess einfließen.
Eine der bemerkenswertesten Veränderungen der Synode selbst wurde vor der ersten großen Sitzung 2023 bekannt gegeben: Neben den 275 Bischöfen sollen 100 Nicht-Bischöf:innen, darunter auch Frauen, als stimmberechtigte Mitglieder in Rom mit einbezogen werden – ein historischer Schritt, der die Stimme der Nicht- Kleriker*innen stärkt. Es zeigt ein neues Verständnis von Synodalität, das darauf abzielt, alle Gläubigen in den Prozess der Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Das Abschlussdokument fasst nun alle Beratungsergebnisse der letzten drei Jahre zusammen und fordert konkrete Reformen in Bezug auf Synodalität in der katholischen Kirche. Das Fundament angestrebter Synodalität innerhalb der Kirche bildet der sensus fidei, der "Glaubenssinn" des Volkes Gottes. "Dank der in der Taufe empfangenen Salbung mit dem Heiligen Geist besitzen alle Gläubigen einen Instinkt für die Wahrheit des Evangeliums." Diese Fähigkeit aller Gläubigen, ein Gespür für die Wahrheit des Glaubens zu haben, wird als unersetzliche Quelle für die Entscheidungsfindung innerhalb der Kirche anerkannt.
Kirchlicher Autorität entscheidet weiterhin
Die Autorität der Hierarchie durch die Bischöfe soll daher durch synodale Konsultation und Beratung erweitert werden. Ein Verzicht auf gemeinschaftliche Beratung wird als Verstoß gegen die kirchliche Identität betrachtet. Um dies praktisch umzusetzen, sollen daher die bisherigen kirchenrechtlichen "Anhörungen" der Entscheidungsträger durch synodale Beratungen ersetzt werden. Beispiele sind hier die Ernennung von Pfarrpersonen, Pfarrreformen und Zusammenlegungen oder größere wirtschaftliche Entscheidungen innerhalb eines Bistums.
Obwohl die endgültige Entscheidung weiterhin bei der kirchlichen Autorität liegt, ist die Richtung klar: Die Entscheidungsprozesse sollen auf allen Ebenen möglichst viele Menschen einbeziehen. Dies stärkt letztlich auch die Entscheidenden, da mehr Menschen die getroffene Entscheidung mittragen. Selbst im Falle von Meinungsunterschieden fand bereits ein Austausch statt, in dem die unterschiedlichen Standpunkte diskutiert wurden. Dadurch würden sich Atmosphäre und Kommunikationsstil innerhalb der Kirche deutlich verbessern – eine Chance dem Vertrauensverlust der Menschen in ihre Kirche entgegenzuwirken.
Partizipative Gremien und Verpflichtenden Synoden
Um ein Gegenüber der Entscheidungsinstanzen zu sichern und konstruktive Beteiligung zu ermöglichen, sollen in einem zweiten Schritt synodale Gremien auf allen Ebenen verpflichtend gemacht werden. Auf Diözesanebene zählt hierzu der Diözesanpastoralrat, der alle Gläubigen einer Diözese repräsentieren soll. Da in Deutschland mit dem Diözesanrat meist ein weiteres repräsentatives Gremium in jeder Diözese vorhanden ist, stellt dies zwar keine Neuerungen für deutsche Bistümer dar, zeigt jedoch eine klare Tendenz auf: Eine synodale Kirche basiert auf der Existenz, Effizienz und effektiven Vitalität partizipativer Gremien.
Bischöfe müssen Rechenschaft ablegen
Die Zusammensetzung obliegt dabei nicht allein dem Bischof, sondern soll per Wahl erfolgen, und jedes Mitglied soll Tagesordnungspunkte vorschlagen können. Eine vermeintliche Selbstverständlichkeit, die selbst in den deutschen Diözesanpastoralräten bis heute nicht überall Praxis ist. Diözesansynoden bringen darüber hinaus Vertretungen aller Stände eines Bistums an einen Tisch und besprechen alles von theologischen Fragen über pastorale Anliegen bis hin zu organisatorischen Herausforderungen. Diese sollen nun in Zukunft stärker in den Fokus rücken, da es oft an festen Gremien fehlt, in denen Priester, Ordensleute und Vertretungen der Pfarrgemeinderäte regelmäßig gemeinsam über Reformen beraten. Obwohl der Bischof das letzte Wort behält, können die Ergebnisse einer Diözesansynode die Ausrichtung der Diözese nachhaltig prägen, wie viele Beispiele in Deutschland zeigen.
Künftig sollen diese regelmäßig und verpflichtend stattfinden, um eine verbindliche Plattform für die Mitgestaltung des kirchlichen Lebens zu schaffen und so die gemeinsame Verantwortung aller Gläubigen zu stärken. Eine wesentliche Neuerung: Bischöfe werden hier verpflichtet, Rechenschaft abzulegen. Um als offene, synodale Kirche zu wirken, wird Rechenschaftspflicht zur Pflicht auf allen Ebenen, insbesondere bei Autoritätstragenden. Der Rechenschaftsbericht soll zentrale Bereiche abdecken – von der Missbrauchsaufarbeitung über die Finanzverwaltung bis hin zu jährlichen Evaluierungen, die die Arbeit der Finanzgremien, die Gläubigenbeteiligung und den Zugang von Laien insbesondere Frauen zu Führungspositionen dokumentieren.
Vom Zentralismus zur Dezentralisierung
Die Synode strebt auch an, bei der Mitwirkung an der Bischofsernennung neue Beteiligungsmöglichkeiten für das Volk Gottes zu schaffen. "Der Dienst des Bischofs ist ein Dienst in, mit und für die Gemeinschaft. […] Deshalb wünscht die Synodenversammlung, dass das Volk Gottes bei der Wahl der Bischöfe eine größere Stimme hat" (Nr. 70). Die zentrale Frage wird sein, wie dies praktisch umgesetzt werden kann. Bisher kommt in jenem Prozess meist dem Nuntius, der päpstliche Botschafter im jeweiligen Land, eine entscheidende Rolle zu. Er erstellt nach Rücksprache mit verschiedenen Personen und Gruppen eine Liste geeigneter Kandidaten und legt diese dem Papst vor.
Der Synodale Weg in Deutschland schlug vor, ein repräsentatives Laiengremium zu etablieren, das aktiv in diesen Prozess einbezogen wird. Ob diese Einbindung künftig durch den Diözesanpastoralrat jeder Diözese erfolgen soll, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch klar, dass die Weltsynode hier in eine ähnliche Richtung wie der Synodale Weg denkt. Diese Bestrebungen sind Teil eines umfassenden Wandels innerhalb der Kirche, der sich gegen den übermäßigen Zentralismus wendet, der im 19. und 20. Jahrhundert mit dem Ersten Vatikanum und der damit festgelegten päpstlichen Entscheidungsgewalt seinen Höhepunkt erreichte.
Heute wird diesem autoritären Ansatz eine "heilsame Dezentralisierung" entgegengesetzt, die darauf abzielt, die Bischofskonferenzen zu stärken. Die Weltsynode setzt sich dafür ein, die "lehrmäßige und disziplinäre Zuständigkeit der Bischofskonferenzen" klarer zu definieren, sodass ihre Beschlüsse für alle beteiligten Bischöfe verbindlich werden könnten. Aktuell haben diese Konferenzen in den meisten Belangen keine Entscheidungsgewalt. Bei Fragen, die nicht unmittelbar mit Glaubensangelegenheiten verknüpft sind, könnte ein Schweigen des Vatikans künftig als stillschweigende Zustimmung gewertet werden.
An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen
Diese Perspektive verspricht, die katholische Kirche anpassungsfähiger zu gestalten und regionalen Stimmen, die am besten wissen, wie das Evangelium vor Ort verkündet werden sollte, mehr Gehör zu verschaffen. Ergänzend zu diesen Maßnahmen wird die Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten im Gemeindeleben für alle Gläubigen angesprochen. Von der Leitung von Gottesdiensten bei Abwesenheit eines Priesters über die Spendung der Taufe bis hin zur Assistenz bei Eheschließungen. "Es ist wichtig, diese Möglichkeiten zur Ausübung von Lai*innenämtern im Einklang mit den Bedürfnissen der lokalen Gemeinschaften zu erweitern und zu stabilisieren."
Die Weltsynode endet nun nicht einfach mit dem Schlussdokument. Im Gegenteil, die Synodenteilnehmenden betonen bereits zu Beginn des Papiers: "Der synodale Prozess ist nicht mit dem Ende der gegenwärtigen Versammlung der Bischofssynode abgeschlossen, sondern er umfasst auch die Phase der Umsetzung." Dies bedeutet, dass es nun ohne päpstliche Umwege zurück dorthin geht, wo 2021 alles begonnen hat: in die Ortskirchen. Dort liegt die Verantwortung, die Beschlüsse in die Tat umzusetzen, denn diese entfalten ohne konkrete Maßnahmen keine Wirkung. "Ohne konkrete Veränderungen auf kurze Sicht wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird jene Mitglieder des Volkes Gottes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben". Werden den Worten auch Taten folgen?
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