Pastorin Andrea Wagner-Pinggéra, Vorständin der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Was ist Ihr persönliches Lebensmotto oder ein Leitspruch, der Sie in Ihrem Glauben und Ihrer Arbeit inspiriert?
Andrea Wagner-Pinggéra: Über diese Frage habe ich lange nachgedacht und festgestellt, dass ich tatsächlich weder ein Lebensmotto noch einen Leitspruch habe. Natürlich gibt es Gedanken, die mich in bestimmten Situationen begleiten. Diese wechseln aber regelmäßig. Manchmal sind es Bibelverse, manchmal Liedverse oder nur kleine Liedzeilen. Letztlich laufen hinaus auf: "Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit."
Die gegenwärtigen Herausforderungen mit einem heißem Herzen und einem kühlen Kopf zu begegnen - dazu helfen ein fröhlicher Glaube und eine feste Zuversicht.
Welches Thema und Anliegen liegt Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland besonders am Herzen, und warum?
Wagner-Pinggéra: Für mich ist die enge Verbindung von Kirche und Diakonie, Diakonie und Kirche von besonderer Bedeutung. Die Kirche braucht die tätige Nächstenliebe, sowohl auf der Gemeindeebenen, durch die Diakonischen Werke und große Träger. Die Diakonie muss ihre evangelischen Wurzeln lebendig halten.
Häufig fehlt das Wissen voneinander. Gerade weil in der Synode der EKD Entscheidungen getroffen werden, die eben auch für die Diakonie von weitreichender Bedeutung sind, scheint mir die Stimme der unternehmerischen Diakonie wichtig.
Welche konkrete Veränderung oder Initiative wollen Sie als Mitglied des Rates der EKD anstoßen, um die Kirche zukunftsfähig zu machen?"
Wagner-Pinggéra: Bisher habe ich die Arbeit der Syndode der EKD und des Rates in den vergangenen Jahren eher aus der Distanz wahrgenommen. Das hat sicher mit meiner Arbeit in der Diakonie zu tun. Umso wichtiger finde ich es, das Verhältnis zwischen Kirche und Diakonie so zu stärken, dass die gegenseitige Wahrnehmung offen und sich wenig vorurteilsbehaftet gestaltet.
Nicole Grochowina, Ordensschwester der evangelischen Communität Christusbruderschaft Selbitz
Was ist Ihr persönliches Lebensmotto oder ein Leitspruch, der Sie in Ihrem Glauben und Ihrer Arbeit inspiriert?
Nicole Grochowina: Mich leitet ein Wort aus der Abschiedsrede vom Mose an das Gottesvolk: "Es ist nicht ein leeres Wort an Euch, es ist Euer Leben" (5. Mos 32, 47). Dieses Wort ist für mich kraftvoll und tröstlich, weil es mir sagt, dass ich mit meinem ganzen Sein in Gott aufgehoben bin. Das schließt unbedingt auch meine Grenzen und Fehler ein. Und: Gott quasselt nicht, sondern in jedem Wort von ihm steckt das volle Leben mit all seinen Verheißungen. Das ist für mich ein sehr, sehr breiter Grund für Hoffnung – auch und gerade in Chaos und Uneindeutigkeit.
Welches Thema und Anliegen liegt Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland besonders am Herzen, und warum?
Grochowina: Wir leben in einer Welt, in der kaum etwas fehlt, wo Gott fehlt. So hat es jüngst der Theologe Jan Loffeld gesagt. Das heißt: Kirche ereignet sich nicht nur diesseits, sondern allemal jenseits der Kirchentür. Mir liegt es am Herzen, eine neue Sprache für unsere Hoffnung zu finden – und diese zugleich kraftvoll jenseits der Kirchentür und damit in einer Welt zu glauben, die diese Hoffnung dringend braucht. Diese Hoffnung allerdings wird eher gehört, wenn wir einen entsprechenden Umgang mit den Themen finden, die gerade zurecht dafür sorgen, dass die Evangelische Kirche kritisch angefragt wird: der Umgang mit sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen, die fehlende Machttransparenz und letztlich die Aspekte von Kirche-Sein, die uns die ForuM-Studie so eindrücklich vor Augen führt.
Welche konkrete Veränderung oder Initiative wollen Sie als Mitglied des Rates der EKD anstoßen, um die Kirche zukunftsfähig zu machen?"
Grochowina: Kirche ist dann zukunftsfähig, wenn sie sagt, was sie glaubt, und lebt, was sie sagt. Es hängt also nicht an den Zahlen oder an der Institution, sondern es hängt an der gelebten Berufung. Das heißt also erstens: Was stärkt den "inneren Menschen", wie Luther sagt, und was entlastet den äußeren? Und zweitens: Mir ist sehr an einer machttransparenten Kirche gelegen. Ausgehend von der ForuM-Studie mit ihren starken Setzungen zur Verantwortungsdiffusion und vermeintlicher Hierarchiearmut sind deshalb in einem synodalen Prozess formelle und informelle Strukturen anzuschauen und zu verändern.
Susanne Bei der Wieden, Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche
Was ist Ihr persönliches Lebensmotto oder ein Leitspruch, der Sie in Ihrem Glauben und Ihrer Arbeit inspiriert?
Susanne Bei der Wieden: Unser altes gottesdienstliches Sendungswort in Anlehnung an Jes. 35, 3f
Geht hin, stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie. Sagt denen, die verzagten Herzens sind: Fürchtet euch nicht. Seht, da ist euer Gott. Er kommt und wird euch helfen.
Welches Thema und Anliegen liegt Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland besonders am Herzen, und warum?
Bei der Wieden: Die Gottebenbildlichkeit jedes Menschen, das Leben in solidarischer Gemeinschaft und das Eintreten für "Witwen, Waisen und Fremdbürgern" sind für mich Grundwerte christlichen Bekenntnisses. Davon ausgehend wäre mir für die Arbeit im Rat wichtig, a) der Zersetzung demokratischer Grundwerte in der Gesellschaft entgegenzutreten - im öffentlichen Diskurs und in der Unterstützung von Kirchen, Gemeinden und Einrichtungen als Orte, an denen Menschen geistig und geistlich gestärkt werden, gegen Menschenfeindlichkeit, Hass und Diskriminierung einzutreten. b) zügig und glaubwürdig die sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche aufzuarbeiten und c) immer neu die Einhaltung der Menschenrechte an Europas Außengrenzen einzufordern. Der Einsatz für Flüchtende ist mir aus der Geschichte meiner Familie und unserer Kirche ein Herzensanliegen.
Welche konkrete Veränderung oder Initiative wollen Sie als Mitglied des Rates der EKD anstoßen, um die Kirche zukunftsfähig zu machen?"
Bei der Wieden: Die Kompetenzbündelung und die Schaffung von Kompetenznetzwerken sollte weiter entwickelt und ausgebaut und dabei die vorhandenen Ressourcen in den Kirchen und insbesondere auch die Synode und die synodalen Gremien einbezogen werden.
Wichtig wäre mir die Initiative für eine gemeinsame Verantwortung für die Ausbildung und Wahrnehmung von Seelsorge und kritischer Kommunikation in sozialen Medien.
Eine gute Idee scheint mir, gemeinsame Profile, Standards und Fortbildungsformate für nebenamtliche oder unterstützende Berufe in Kirchengemeinden und Regionen zu entwickeln (vergleichbar den kirchenmusikalischen D und C – Qualifikationen oder der JuLeiCa), zum Beispiel für Seelsorge, Kommunikation, Gemeinwesenarbeit etc.
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Was ist Ihr persönliches Lebensmotto oder ein Leitspruch, der Sie in Ihrem Glauben und Ihrer Arbeit inspiriert?
Christian Stäblein: Ein Motto habe ich nicht, aber meinen Tauspruch, den ich oft innerlich spreche, wenn ich einen Moment verharre, bevor ich mich im gottesdienstlichen Raum hinsetze. Es ist das Wort aus dem 91. Psalm von den Engeln, die Dich tragen. Vor 57 Jahren habe ich es mitbekommen für mein Leben und lasse mich gerne davon tragen, gerade wenn Steine auf dem Weg liegen – oder anderes. Dazu kommt ein zweiter Satz, mit meiner Einführung in meine jetzige Aufgabe mitgegeben und mich an den dauernden Advent unseres Glaubens erinnernd, das Erwarten und Hoffen. Freuet euch, sagt Paulus, freuet euch im Herrn alle Wege. Glaubensheiterkeit manchem zum Trotz, aus Hoffnung, die nicht versiegt.
Welches Thema und Anliegen liegt Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland besonders am Herzen, und warum?
Stäblein: Das lässt sich schwer auf ein Thema beschränken. Meine Erfahrungen aus der Arbeit als Beauftragter für Fragen von Flucht und Migration liegen mir am Herzen. - Die stete Erneuerung der evangelischen Kirche ist eine notwendige Aufgabe. Ich stehe für eine Kirche – EKBO -, in der Aufbruch, Veränderung und Verwandlung zur Tagesordnung gehören. Der Aufbruch in dritten Orten, eine gute Balance von vielfältigen Strukturen und geistlichem Reichtum, mag tragen. Das Tempo der Veränderung allerdings soll und muss zunehmen. Kirche aus dem Kern ihres Glaubens heraus sein, das liegt mir am Herzen. Die Freiheit für ein Kirche sein mit anderen ist entscheidend. Und deshalb auch der laute Ruf gegen Antisemitismus.
Welche konkrete Veränderung oder Initiative wollen Sie als Mitglied des Rates der EKD anstoßen, um die Kirche zukunftsfähig zu machen?"
Stäblein: Ich würde die Einrichtung eines EKD-weiten Zentrums anstoßen, an dem die Innovationsorte, die Dritten Orte, miteinander verbunden und vernetzt werden. Hier scheint mir eine entscheidende Funktion der EKD: Die Unterstützung der Transformation der einzelnen Kirchen. – Die Stärkung der bereits angestoßenen Verständigungsorte gehört dazu. – Daneben braucht es Zentren für die Erneuerung einer Sprache des Glaubens, die in einer Welt vernehmbar ist, die häufig Gott nicht mehr als ihr Wort kennt. Jede Kirche ist so eine Sprachschule. Und jedes Seelsorgegeschehen – der oft übersehene, von den Menschen aber alle Zeit erwartete Wesenszug allen kirchlichen Handelns. Öffentliche Seelsorge also stärken.
Mit dem Ausscheiden von drei Mitgliedern aus dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stellen sich vier Kandidaten am Montag zur Wahl. Gewählt wird am 11. November 2024 während der Tagung des evangelischen Kirchenparlaments. Dem Rat gehören insgesamt 15 Mitglieder an.