TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg"

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2. November, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg"
Während der Pilger Matthias Langer aka Wanja Mues energischen Schritts über den Jakobsweg stapft, stellt der Film gleich zu Anfang die Verdächtigen vor, denn kurz drauf entdecken zwei Frauen die Leiche des Sägewerkbetreibers.

Na toll, wird sich Wanja Mues womöglich gedacht haben, als ihm diese Rolle im zehnten "Erzgebirgskrimi" angeboten wurde: Wenn die Geschichte beginnt, ist der Pilger, den er verkörpert, praktisch schon tot. Mit den Gedanken, die Matthias Langer in Form grobkörniger und entfärbter Bilder durch den Kopf gehen, während er energischen Schritts über den Jakobsweg stapft, stellt der Film gleich zu Anfang die Verdächtigen vor, denn kurz drauf entdecken zwei Frauen die Leiche des Sägewerkbetreibers: Er hängt tot unter einer Brücke. Dem ersten Anschein nach hat er sich das Leben genommen, aber kurz zuvor ist er niedergeschlagen worden. 

Unter anderen Umständen würde der Handlungskern von "Mord auf dem Jakobsweg" gerade mal für eine Vorabendepisode reichen, doch Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard (Buch) hat die Geschichte in ein Konzept gebettet, das an die ZDF-"Spreewaldkrimis" erinnert: Mindestens so wichtig wie die Ermittlungen von Robert Winkler (Kai Scheve) und Lara Szabo (Lara Mandoki) von der Kripo Chemnitz sind die Rückblenden, die jedes Mal ein bisschen mehr darüber erzählen, was sich vor Langers Tod zugetragen hat.

Dabei gelingt Pomorin, der bislang fast alle "Erzgebirgskrimis" geschrieben hat, das Kunststück, ausnahmslos alle Beteiligten stets ein bisschen verdächtiger wirken zu lassen. Gleichzeitig bleibt jedoch offen, wes Geistes Kind Langer war: natürlich das Opfer; aber auch ein Täter? Dass das Konstrukt so gut funktioniert, hat nicht zuletzt mit dem Ensemble zu tun. Im Unterschied zu sonstigen Reihenkrimis, in denen die Ablenkungsmanöver früh als solche zu erkennen sind, bleibt hier tatsächlich bis zum Schluss offen, wer den Wanderer auf dem Gewissen hat. Pomorin bietet vier Personen an, die allesamt ein schlüssiges Motiv hätten, wie die Rückblenden allerdings erst später verdeutlichen, denn zunächst zeigen die Bilder bloß ihren Zorn.

Das gilt vor allem für Benedict Wagner (Max Herbrechter). Der Mann ist voller Hass, wie er einem Pfarrer anvertraut: "Alles in mir schreit nach Rache!" Seinen Reiz bezieht der Film fortan nicht zuletzt aus der Frage, in welchem Bezug er zu Langer steht und woher seine Wut rührt. Bei den weiteren Figuren wird die Beziehung früher klar. Mit Ehefrau Maike (Cornelia Gröschel) hatte Langer eine heftige Auseinandersetzung. Sein Partner im Sägewerk, Siepmann (Thomas Schmauser), wollte ihn zu einem Geschäft überreden – "Fressen oder gefressen werden!" –, von dem Langer nicht überzeugt war.

Und dann ist da noch Felix Uhlich (Hans-Uwe Bauer), ebenfalls Sägewerksbesitzer und einst Langers väterlicher Freund, der sich nun von ihm verraten und verkauft fühlt. Wagner, Uhlich und Maike waren zur Tatzeit ebenfalls auf dem Jakobsweg unterwegs. Der Rest ist Krimi: Nach und nach schließen Winkler und Szabo durch Überprüfung der Alibis aus, wer Langer ermordet haben könnte. Es gibt zwar noch ein junges Pärchen, das Pilgerinnen und Pilger beraubt, wenn die mal ein Nickerchen am Wegesrand machen, aber schon allein aufgrund der Besetzung ist früh klar, dass die beiden nichts mit dem Mord zu tun haben. 

Regie führt Markus Imboden, "Mord auf dem Jakobsweg" ist die erste Arbeit des zweifachen Grimme-Preisträgers aus der Schweiz. Seine Inszenierung ist ruhig und sachlich; der Film lebt daher in erster Linie von der klassischen Krimifrage "Wer war’s?". Sehr präsent ist allerdings die vorzügliche Musik von Mario Lauer, der mit einem einprägsamen Leitmotiv für Spannung sorgt. Selbstredend setzt Pomorin auch die inoffizielle Romanze zwischen dem Kommissar und der Försterin fort: Saskia Bergelt (Teresa Weißbach) kommt nicht damit klar, dass Winkler konsequent zwischen Beruf und Privatleben trennen will und in einen sehr förmlichen Dienstmodus schaltet, wenn er sie und ihren Spürhund in die Ermittlungen miteinbezieht. Für kleine Heiterkeiten sorgen derweil die beredten Blicke der Kollegin Szabo, der natürlich nicht entgangen ist, was sich da abspielt. 

Sehenswert ist neben Schauplätzen wie etwa dem imposanten Hetzdorfer Viadukt auch das ästhetische Konzept: Imboden und Kameramann Conrad Lobst haben den herbstlichen Film mit satten Grün- und Brauntönen versehen. Das gilt nicht nur für die vielen Außenaufnahmen der abgeernteten Äcker sowie die vielen Waldbilder, sondern auch für Kostüm und Ausstattung. Diese Bildgestaltung lässt den "Erzgebirgskrimi" sympathisch bodenständig wirken. Dazu passt eine bewegende Schlüsselszene, in der Langer einen Brief an seinen Vater vorliest. Der Moment war Imboden so wichtig, dass er ihn als einzige Rückblende nicht optisch verfremdet hat.