Mannheim (epd). In der Debatte um gestiegene Krankmeldungszahlen schlägt der Wirtschaftswissenschaftler Nicolas Ziebarth vom Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vor, Teilzeitkrankschreibungen als Arbeitnehmerrecht zu ermöglichen. Skandinavische Länder hätten mit solchen Modellen Fehlzeiten reduzieren können, sagte der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Es ist ein veraltetes Schwarz-Weiß-Denken, dass man entweder arbeiten kann oder nicht“, sagte Ziebarth, der auch Professor an der Universität Mannheim ist. Teilzeitkrankschreibungen seien sicher nicht für alle Beschwerden oder in allen Berufen möglich. Bei manchen psychischen Krankheiten etwa seien Betroffene durchaus arbeitsfähig, allerdings weniger belastbar als sonst. „Auch bei manchen Rückenleiden wäre sicher denkbar, dass man nach Hause gehen darf, wenn es nicht mehr geht“, sagte er.
Ziebarth verwies darauf, dass Arbeitgeber Modelle mit Teilzeitkrankschreibungen schon heute in ihren Betrieben einführen könnten und appellierte an sie, dies zu tun. „Das können sie sofort machen“, sagte er. Es sei sinnvoll, dies nicht nur als Möglichkeit für Arbeitgeber, sondern auch als Recht für Arbeitnehmer einzuführen: „Das wird sicher nicht alles von Grund auf ändern, aber es wäre ein Baustein, um Fehltage zu reduzieren.“
Denkbar sind nach Ziebarths Worten auch Vereinbarungen, denen zufolge leicht erkrankte Arbeitnehmer auch im Homeoffice arbeiteten oder mit medizinischer Schutzmaske zur Arbeit kämen. Er räumte allerdings ein, dass dies ein schwieriger Grenzbereich sei, in dem Arbeitgeber ungerechtfertigten Druck auf ihre Angestellten ausüben könnten. „Das ginge nur mit beiderseitigem Einverständnis“, erklärte er.
Kaum Einfluss auf die Zahl der Fehlzeiten habe dagegen die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sagte Ziebarth. Er berief sich dabei auf Zahlen einer aktuellen ZEW-Studie und widersprach damit Steffen Kampeter, dem Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Kampeter hatte den aktuell hohen Krankenstand darauf zurückgeführt, dass Arbeitnehmer die telefonische Krankschreibung missbrauchen würden.