Rom, Frankfurt a.M. (epd). Papst Franziskus hat in seiner neuen Enzyklika zu mehr Empathie und Mitmenschlichkeit in der Welt aufgerufen. „Es fehlt das Herz“, schreibt das katholische Kirchenoberhaupt in seiner am Donnerstag vom Vatikan veröffentlichten Enzyklika „Dilexit nos“.
In dieser flüchtigen Welt sei es notwendig, wieder vom Herzen zu sprechen, „als dem Ort, wo in jedem Menschen, gleich welcher Herkunft und Lebensbedingung, alles zusammenkommt“, wo all die Überzeugungen, Leidenschaften und Entscheidungen der Menschen verwurzelt seien, heißt es weiter in dem päpstlichen Rundschreiben.
„Dilexit nos“ ist Latein und heißt übersetzt „Er hat uns geliebt“. Gemeint ist die Liebe Jesu zu den Menschen, die in der Enzyklika eine zentrale Rolle einnimmt und sich im Symbol des Herzens metaphorisch ausdrückt. Der Titel der Enzyklika bezieht sich auf einen Bibelvers im Neuen Testament aus dem Römerbrief des Apostels Paulus.
Der Text besteht aus 220 Artikeln, in der deutschen Version hat er gut 50 Seiten und ist damit kürzer als vorherige Enzykliken. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung fällt mitten in die Schlussberatungen der Weltsynode, die noch bis Samstag an einem Abschlusspapier mit Empfehlungen für Kirchenreformen arbeitet, über die der Papst entscheiden muss.
Obwohl die Enzyklika in erster Linie spirituellen und moralischen Charakter hat, spiegeln ihre Aussagen zu sozialer Gerechtigkeit, Umweltfragen und globaler Solidarität auch politische Anliegen des Papstes wider. Er beklagt aktuelle Kriege, bestehende sozioökonomische Ungleichheiten und Technologien, die die Menschlichkeit bedrohen - Themen, die er zuvor schon in öffentlichen Reden angesprochen hat. Der italienische Theologe und Erzbischof von Chieti-Vasto, Bruno Forte, sagte bei der Vorstellung der Enzyklika im Vatikan, der Text sei ein Schlüssel zur Interpretation des Lehramtes von Papst Franziskus.
Die Enzyklika bringt die Sorge des Papstes um eine Menschheit zum Ausdruck, in der es an Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit mangelt und in der Egoismus und Individualismus herrschen. Eine Rückbesinnung auf Liebe und Solidarität sieht er als Heilmittel für „eine Gesellschaft, die zunehmend von Narzissmus und Selbstbezogenheit beherrscht wird“. Er spricht zu Beginn der Enzyklika davon, dass Menschen zu „Sklaven eines Machtsystems“ würden, das sich nicht für den Sinn des Lebens interessiere.
Am Ende heißt es, allein die Liebe von Jesus Christus, an die Christinnen und Christen glauben sollen, stehe außerhalb „dieses abartigen Räderwerks“, wie er das Machtsystem bezeichnet. Jesus allein sei in der Lage, „dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot“, schreibt der Papst.
Zum Schluss seiner Enzyklika sendet er Botschaften an die Gläubigen und an die katholische Kirche. Die Gläubigen ruft er dazu auf, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und gemeinsam Verantwortung für ihre Umwelt zu übernehmen.
Auch die Kirche habe eine Rückbesinnung auf die Liebe nötig. Anstelle der Liebe seien „vergängliche Strukturen, Zwangsvorstellungen vergangener Zeiten, Anbetung der eigenen Gesinnung oder Fanatismus aller Art getreten“, kritisiert er. Das christliche Lebensmodell sei attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt werde: „nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale“, mahnt der Papst.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte laut Mitteilung, das Schreiben möge auf manche Menschen „eher fremd und zumindest vermittlungsbedürftig“ wirken, sei aber dennoch aktuell. Der Papst sende die Botschaft, dass das Wissen um die Liebe Jesu zur ganzen Menschheit „die Quelle der Hoffnung auch für diese so hoffnungsarme Welt“ sei, sagte der Limburger Bischof.
Es ist die vierte Enzyklika von Papst Franziskus. Zuletzt erschienen 2020 in der Corona-Pandemie die Enzyklika „Fratelli tutti“ („Alle Brüder“) und 2015 die Umwelt-Enzyklika „Laudato si - Über die Sorge für das gemeinsame Haus“.