Lauterbach kündigt große Pflegereform "in wenigen Wochen" an

Lauterbach kündigt große Pflegereform "in wenigen Wochen" an
Der Pflegeversicherung droht laut Krankenkassen ohne Gegensteuern 2025 die Zahlungsunfähigkeit. Sie fordern die in der Pandemie übernommenen Kosten von mehr als fünf Milliarden Euro zurück. Gesundheitsminister Karl Lauterbach mahnt zur Ruhe.

Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Berichte über eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit der Pflegeversicherung zurückgewiesen. Zwar stehe die Pflegeversicherung derzeit „unter Beitragssatzdruck“, sagte er am Montag in Berlin. Sie sei aber weder insolvent, „noch droht ihr die Insolvenz“, sagte der Minister. Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen könnten sich auf die Leistungen verlassen. Demgegenüber halten Pflegekassen und Sozialverbände Beitragserhöhungen für unabwendbar, sofern der Bund die Pflegeversicherung nicht stützt.

Lauterbach kündigte an, „in wenigen Wochen“ eine große Pflegereform vorstellen zu wollen. Dann werde er sagen, ob und in welchem Umfang die Beiträge zur Pflegeversicherung angehoben würden. Ob sie Anfang 2025 steigen, ließ er offen. Der Gesundheitsminister räumte ein, dass sich die Pflegeversicherung in einer schwierigen Lage befindet. Die Ausgaben stiegen, während die Einnahmen wegen der schwachen Konjunktur unbefriedigend seien, sagte er. Haupttreiber der Ausgaben seien die steigende Zahl der Pflegebedürftigen, die Anhebung der Pflege-Löhne auf Tarifniveau und die 2022 eingeführten Zuschüsse aus der Pflegeversicherung an Heimbewohnerinnen und -bewohner.

Lauterbach reagierte damit auf einen Bericht des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (Montag), wonach die Pflegeversicherung im Februar 2025 zahlungsunfähig sei, wenn nicht gegengesteuert werde. Dem Bericht zufolge diskutiert die Regierungs-Koalition bereits über eine Beitragserhöhung. Krankenkassen und Sozialverbände appellierten an die Regierung, höhere Beiträge abzuwenden. Sie verlangten, die aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung finanzierten fünf Milliarden Euro in der Corona-Krise müssten umgehend zurückgezahlt werden. Der Bund hatte die Pflegekassen verpflichtet, die pandemiebedingten Kosten für Pflegeeinrichtungen zu übernehmen.

Der Bund müsse die noch ausstehenden Beträge ausgleichen, forderte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Außerdem müsse der Staat die Sozialbeiträge für pflegende Angehörige übernehmen, die Pfeiffer allein für 2024 auf rund vier Milliarden Euro schätzte. Mit dem Geld „müssten wir nicht schon wieder über Beitragserhöhungen sprechen“, sagte Pfeiffer. Der GKV-Spitzenverband rechnet bis zum Jahresende mit einem Defizit von knapp 1,8 Mrd. Euro. Ohne Reformen wäre eine Anhebung der Beitragssätze um mindestens 0,25 Prozentpunkte zum Januar 2025 notwendig, damit die Pflegekasse zahlungsfähig bleibe, erklärte der Verband.

Der Krankenkasse DAK zufolge war die Verwendung von Beitragsgeldern während der Pandemie nicht zulässig. Geld aus der Pflegekasse dürfe nur eingesetzt werden, um den Versicherungsschutz der Beitragszahler zu gewährleisten. Die Kasse berief sich auf ein neues Rechtsgutachten. Würde die Summe 2024 zurückgezahlt, könne eine Betragserhöhung vermieden werden, erklärte auch die DAK.

Der Sozialverband VdK warnte, selbst eine Beitragserhöhung von bis zu 0,3 Prozentpunkten würde die Pflegeversicherung nur bis zum Frühjahr 2026 finanzieren. Präsidentin Verena Bentele forderte, auch Beamte, Abgeordnete und Selbständige müssten in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen. Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik bei der Diakonie Deutschland, verlangte, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben und Pflegebeiträge auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und Mieteinnahmen zu erheben.

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt 3,4 Prozent vom Bruttolohn. Kinderlose zahlen vier Prozent. In diesem Jahr rechnet die Bundesregierung Lauterbach zufolge mit 400.000 zusätzlichen Pflegebedürftigen, 2023 stieg ihre Zahl um 360.000. Insgesamt sind rund fünf Millionen Menschen auf Pflege angewiesen; mehr als drei Viertel werden von den Angehörigen versorgt.