Köln (epd). Psychische Gewalt und Mobbing unter Schülern sind einer Umfrage zufolge sehr weit verbreitet. In der am Montag in Köln veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gaben 98 Prozent der befragten Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen an, dass es an ihrer Schule im letzten Schuljahr Fälle von psychischer Gewalt unter Schülern gab. Dazu zählen Beschimpfungen, Bedrohungen, Belästigungen sowie Mobbing - im direkten Kontakt und über soziale Medien.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte im August im Auftrag der DGUV online über 1.000 Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen zum Schulklima, zu möglichen Gewaltursachen sowie zu Präventions- und Nachsorgekonzepten befragt. Rund jeder zweite Befragte (48 Prozent) gab an, dass solche Fälle an seiner Schule „häufig“ vorkamen. Etwa gleich viele Befragte (50 Prozent) sagten, sie hätten solche Fälle an ihrer Schule „selten“ erlebt. Nur sehr wenige Lehrkräfte (zwei Prozent) erklärten, sie hätten keinerlei Fälle psychischer Gewalt unter Schülern erlebt.
Besonders oft wurden von den Lehrern in der repräsentativen Online-Umfrage mit 47 Prozent Beleidigungen und Beschimpfungen genannt, gefolgt von systematischem Ausgrenzen und Schikanieren beziehungsweise Mobbing (35 Prozent), Cyber-Mobbing (23 Prozent), Drohungen und Erpressungen (22 Prozent) sowie sexualisierter psychischer Gewalt (21 Prozent). Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen habe den Eindruck, dass psychische Gewalt und Formen des Mobbings unter Schülerinnen und Schülern nach der Corona-Pandemie zugenommen hätten, sagte DGUV-Hauptgeschäftsführer Stefan Hussy bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Dem „Klima“ an ihrer Schule unter den Schülerinnen und Schülern gaben die Lehrerinnen und Lehrer den Angaben zufolge aber im gesamtdeutschen Durchschnitt die Schulnote zwei minus (2,6). Je nach Schulform fielen die Durchschnitts-Bewertungen unterschiedlich aus: An Haupt-, Real- und Gesamtschulen gaben die Lehrer dem Schulklima die Note befriedigend (3,0), an Gymnasien die Note 2,3.
Besorgt äußerte sich Hussy über die Angabe von 59 Prozent der Befragten, dass es an ihrer Schule keine festgelegten Handlungskonzepte bei Gewaltvorfällen und keine Nachsorgekonzepte gibt. Lediglich jede vierte Lehrkraft habe davon berichtet, dass es an ihrer Schule eine systematische Erfassung von Gewaltvorfällen unter Schülern gibt.
Vier von zehn Lehrkräften waren laut Umfrage im vergangenen Schuljahr mindestens einmal pro Woche mit psychischer Gewalt unter Schülern persönlich befasst, drei von zehn mit körperlicher Gewalt. In der überwiegenden Mehrheit (93 Prozent) vermuten Lehrkräfte, dass persönliche Faktoren wie Impulsivität oder niedrige Frustrationstoleranz zu Gewalt führen. Familiäre Faktoren oder hoher Medienkonsum werden mit 78 Prozent ebenfalls als häufige Faktoren wahrgenommen. Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) sieht eine Zunahme psychischer Gewalt nach der Pandemie.
Trotz dieser Befunde scheint der von den gesetzlichen Unfallversicherungen jährlich erfasste langjährige Trend rückläufiger Unfallzahlen durch Gewalt an Schulen ungebrochen. Die von der Gesetzlichen Unfallversicherung erfasste Rate von gewaltbedingten Unfällen an Schulen betrug im vergangenen Jahr 7,5 pro 1.000 Versicherten. Diese Quote liegt deutlich unter der Unfallrate von 8,8 im Vor-Corona-Jahr 2019. Anlass zur Entwarnung gebe es aber nicht, sagte Hussy. Denn in die Versicherungsstatistik fließen lediglich Unfälle mit anschließendem Arztbesuch ein, nicht aber Fälle psychischer Gewalt.