TV-Tipp: "Herrhausen – Der Herr des Geldes"

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Dienstag, 1. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Herrhausen – Der Herr des Geldes"
Die dreiteilige Serie rund um den 1989 ermordeten Chef der Deutschen Bank beeindruckt durch ihren Aufwand und die bis in die kleinsten Rollen prominente Besetzung. Oliver Masucci ist in der Titelrolle absolut überzeugend.

"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar", hat Ingeborg Bachmann einst im Rahmen ihrer Dankesrede für einen Hörspielpreis gesagt. Dieses Zitat steht auf einer der Säulen, die als Mahnmal an die Ermordung von Alfred Herrhausen erinnern. Der 1989 kurz nach dem Mauerfall mutmaßlich von der RAF getötete Vorstandssprecher der Deutschen Bank war ein Visionär und seiner Zeit weit voraus.

Von ihm stammte unter anderem der Vorschlag, den ärmsten Ländern die Schulden zu erlassen, was bei anderen Großbanken auf erhebliche Empörung stieß. Seine Pläne, die wichtigste Bank des Landes komplett umzustrukturieren, um auf diese Weise in der Weltspitze mitmischen zu können, wurden von den eigenen Vorstandskollegen sabotiert. Frühzeitig wies er darauf hin, dass die Menschheit unbedingt die ökologischen Folgen ihres Handelns in den Griff  bekommen müsse, "sonst werden wir diesen Planeten in absehbarer Zeit unbewohnbar machen." Seine Warnung vor einem entfesselten Markt erwies sich spätestens beim Zusammenbruch der Lehman-Brothers-Bank 2008 als Weitblick.

Herrhausen erkannte zudem als einer der ersten, dass sich im Ostblock enorme Umwälzungen abzeichneten. Er überzeugte Helmut Kohl, die vor dem Bankrott stehende Sowjetunion mit Milliardenkrediten zu unterstützen, um auf diese Weise in Zukunft von einer sich dort entwickelnden Marktwirtschaft zu profitieren.

Damit machte er sich mächtige Feinde. Das ist zumindest die Lesart, die Thomas Wendrichs Drehbuch zur preiswürdigen Miniserie "Herrhausen" (der Zusatz "Der Herr des Geldes" bezieht sich auf einen "Spiegel"-Titel) nahelegt. Gleich zweimal fällt der makabre Satz "Wo ist die RAF, wenn man sie braucht?!": Die CIA und das Ministerium für Staatssicherheit waren ebenso wie das Bundesamt für Verfassungsschutz unsichtbar bei vielen Gesprächen dabei.

Die insgesamt rund dreistündige Serie bietet eine fesselnde Mischung aus Wirtschaftsdrama, Zeitgeschichte und Polit-Thriller. Selten hat es eine Produktion verstanden, komplexe und meist etwas trockene Sachverhalte aus dem Bankenwesen derart kurzweilig zu verpacken.

Natürlich hat die Faszination viel mit dem Hauptdarsteller zu tun. Oliver Masucci ist längst eine Garantie dafür, auch überlebensgroße Charaktere sehr nahbar darstellen zu können; er versieht den Banker mit viel Sympathie und noch mehr Überzeugungskraft. Gerade ihm, aber auch den von Thomas Loibl als ständiger Bedenkenträger sowie August Zirner und Shenja Lacher gespielten weiteren Vorstandsmitgliedern ist es zu verdanken, dass die Einblicke hinter die Kulissen des Geldhauses mit ihren Ränkespielen und Intrigen mindestens so spannend sind wie der sich zeitgleich entwickelnde Lauf der Weltgeschichte.

Sascha Nathan verkörpert Kohl mit Leib und Seele, der Holländer Philippe Brenninkmeyer, gern und oft Gast im deutschen Fernsehen, bringt als US-Banker internationales Flair in die Serie: Aus Sicht der Amerikaner betreibt Herrhausen Bündnisverrat.

Die Serie ist mit großem Aufwand produziert worden, die halbe ARD hat sich beteiligt; es gibt über dreißig wichtige Sprechrollen. Selbst scheinbar zu vernachlässigende Nebenfiguren bekommen dank prominenter Besetzung viel Gewicht. Das gilt nicht zuletzt für die Frauen. Gerade Ursula Strauss macht aus ihrer Rolle als Sekretärin viel mehr, als vermutlich im Drehbuch steckte. Julia Koschitz spielt die Gattin des Managers: Traudl Herrhausen muss akzeptieren, dass ihr Mann mit der Bank verheiratet ist. Ansonsten ist der Film abgesehen von Lisa Vicari als Terroristin und Bettina Stucky als erste Frau im Vorstand sehr maskulin.

Pia Strietmann, deren beste Arbeit bislang die herrliche Komödie "Endlich Witwer" (2019) mit Joachim Król war, hat die Vorlage von Wendrich, für seinen Beitrag zum Mehrteiler "Mitten in Deutschland: NSU" 2016 mit dem Grimme-Preis und für sein Drehbuch zu "Lieber Thomas" 2022 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, kongenial umgesetzt.

Herrhausens Visionen und Albträume sorgen regelmäßig für irritierende Momente. Die Abstecher zum Trainingslager der RAF im Nahen Osten hätten gern etwas kürzer ausfallen können, zumal sie gerade darstellerisch bei Weitem nicht die Qualität der Szenen mit Masucci haben, aber davon abgesehen ist "Herrhausen" von einer eindrucksvollen Dichte.

Ähnlich preiswürdig wie Buch, Regie und Hauptdarsteller ist die formidable Musik von Martina Eisenreich. Sie hat ihre Komposition rund um das Leitmotiv der durch Klaus Nomis "Cold Song" bekannt gewordenen Arie "Oh What Power Art Thou" aus Henry Purcells Stück "King Arthur" (hier gesungen vom Countertenor Andreas Scholl) arrangiert.

Die Episoden drei und vier folgen am Donnerstag ab 21.45 Uhr, im Anschluss (23.25 Uhr) zeigt das "Erste" ein Porträt Herrhausens. Die Serie steht bereits komplett in der Mediathek.