TV-Tipp: "Die Polizistin und die Sprache des Todes"

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Montag, 30. September, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Polizistin und die Sprache des Todes"
Der Plot dieses Krimis aus dem hohen Norden hat manche Schwächen, einiges ist allzu voraussehbar. Dass der Film trotzdem gelungen ist, liegt hauptsächlich an einem "Dreamteam" aus Ermittlerin und Ermittler.

Wenn ein Mord bis ins Detail zwei früheren Taten entspricht, der damalige Mörder jedoch in Einzelhaft schmort, gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um einen Trittbrettfahrer, oder der Mann im Knast ist unschuldig. Als eine Frau nahe der Grenze zu Dänemark tot in einem Kanal gefunden wird, sprechen einige Details gegen die Nachahmungsthese. Im Polizeijargon ist in solchen Fällen von Täterwissen die Rede, weil bestimmte Tatumstände nicht an die Medien weitergegeben worden sind.

Da Krimifans oftmals cleverer sind als die Fernsehpolizei, lässt sich in Lars Beckers Krimi "Die Polizistin und die Sprache des Todes" allerdings allzu früh erahnen, dass es noch eine dritte Möglichkeit gibt. Diese Drehbuchschwäche ist jedoch verschmerzbar, denn neben der interessanten Geschichte lebt der Film vor allem vom Kontrast der beiden Hauptfiguren:.

Gloria Acheampong (Thelma Buabeng) ist Fallanalytikerin beim Bundeskriminalamt und soll den einheimischen Polizeichef Pieper Olsen bei den Ermittlungen unterstützen. "Nachtschicht"-Schöpfer Becker (Buch und Regie) hat dem Film einen ausgeprägten regionalen Charakter mit entsprechend viel Atmosphäre gegeben, und das bezieht sich nicht nur auf die Landschaft; Artjom Gilz, aufgewachsen in Cloppenburg im Oldenburger Münsterland, versieht seine Rolle mit einer Menge Lokalkolorit. Wie stets in solchen Fällen kennt hier in der Gegend jeder jeden, was Piepers Arbeit gleichermaßen erleichtert wie erschwert.

Natürlich spielen auch Rassismus und Diskriminierungen eine Rolle, allerdings eher beiläufig; die Einheimischen mögen grundsätzlich keine Fremden, ganz egal, welche Herkunft sie haben. Dass Bürgermeister Schippers (Michael Lott) die BKA-Beamtin als Ermittlerin ablehnt, hat zwar auch mit ihren ghanaischen Wurzeln zu tun, aber in erster Linie hält er sie für befangen: Das Mordopfer war ebenfalls schwarz.

Die Frau war Sexarbeiterin in einem Bordell, ihr Körper weist Spuren vieler alter Verletzungen auf, weshalb auch der ohnehin mehrfach vorbestrafte Puffbetreiber (Aurel Manthei) als Verdächtiger gilt, aber eigentlich führen alle Spuren in die Justizvollzugsanstalt.

Jetzt wird der Film erst richtig interessant, und das durchaus auch, weil Beckers Stammspieler Nicholas Ofczarek den verurteilten zweifachen Frauenmörder Rudi Butscher mit einer reizvollen Ambivalenz verkörpert. Basis seiner Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung war neben verschiedenen Indizien die Aussage einer Frau; Butscher ist überzeugt, dass sie ihre Anschuldigung in einem Revisionsverfahren widerrufen wird.

Natürlich treibt er ein Spiel mit der Polizistin, und vermutlich glaubt Gloria ihm kein Wort, zumal zumindest aus ihrer Sicht lange offen bleibt, was der Mann im Schilde führt. Nach einer Stunde lässt Becker die Katze aus dem Sack, aber der erfahrene Teil des Publikums dürfte ihm längst auf die Schliche gekommen sein, und das liegt ausgerechnet an dem vom Regisseur schon seit geraumer Zeit propagierten Bekenntnis zur diversen Besetzung.

Die Idee, eine schwarze Kommissarin zur Hauptfigur eines Krimis zu machen, im besten Fall einer ganzen Krimireihe, hatte der zweifach mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Becker nach eigenen  Angaben schon vor über zwanzig Jahren. Damals wäre ein Film wie "Die Polizistin und die Sprache des Todes" nicht möglich gewesen. Menschen afrikanischer oder arabischer Herkunft würden "identitätsgetreu der Problematik ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe besetzt, also als Drogendealer, Gangster, Flüchtling, unterdrückte Muslima oder rassistisches Opfer, nicht aber als Bürgermeister, Justizministerin, Chefredakteurin."

Er spricht im Präsens, dabei hat sich mittlerweile Vieles zum Besseren verändert. Dafür steht nicht zuletzt Thelma Buabeng, die unter anderem in den ARD-Reihen "Klara Sonntag" (als Bewährungshelferin) oder "Käthe und ich" (als Schulleiterin) mitwirkt; allerdings nicht als zentrale Figur.

Becker hätte garantiert nichts dagegen, weitere Krimis mit Gloria Acheampong zu erzählen; das ZDF will allerdings erst mal abwarten, wie gut die Premiere ankommt. Oder anders gesagt: ob das deutsche TV-Publikum reif für eine afrodeutsche Hauptdarstellerin ist. Natürlich hat Florence Kasumba schon im "Tatort" aus Göttingen eine Kommissarin verkörpert, aber der Star war Maria Furtwängler.

Allerdings wäre es schön, wenn in den etwaigen Fortsetzungen auch Artjom Gilz dabei wäre. Die schlagfertige emanzipierte Ermittlerin und der tiefenentspannte bodenständige Pieper bilden ein echtes Dreamteam. Deshalb stört es auch nicht weiter, dass der Film zwar reich an Dialogen, aber arm an Spannung ist.