Experten mahnen bessere Vermittlung demokratischer Werte an

Experten mahnen bessere Vermittlung demokratischer Werte an
Nach Sachsen und Thüringen hat die AfD auch bei der Landtagswahl in Brandenburg rund 30 Prozent der Stimmen bekommen. Aus der Zivilgesellschaft kommen nun Rufe nach Strategien zur Stärkung der Demokratie. Die AfD sei eine fundamentale Bedrohung.

Potsdam (epd). Nach dem hohen AfD-Ergebnis bei der Landtagswahl in Brandenburg werden Forderungen nach nachhaltigen Strategien gegen antidemokratische Entwicklungen laut. Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, sagte am Dienstag in Potsdam, es müsse stärker über die Demokratie und das zugrundeliegende Wertesystem gesprochen werden. Die Vorzüge der Rechtsordnung der Bundesrepublik und eines solidarischen Miteinanders müssten besser vermittelt und viel stärker im Bewusstsein der Menschen verankert werden.

Die AfD hatte bei der Landtagswahl am Sonntag 29,2 Prozent der Stimmen bekommen und ist damit erneut zweitstärkste Kraft im Landtag. Die SPD bekam 30,9 Prozent der Stimmen und bleibt stärkste Kraft im Parlament. Das neue BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) kam aus dem Stand auf 13,5 Prozent, die CDU erreichte 12,1 Prozent. Grüne, Linke und Freie Wähler sind nicht mehr im Landtag vertreten.

Drecoll sagte, für die Vermittlung demokratischer Werte seien auch stabilere Netzwerke unter anderem von Gedenkstätten und Initiativen sowie eine bessere Infrastruktur als bisher nötig. Zugleich müssten positive Entwicklungen stärker in den Blick der Öffentlichkeit gerückt werden. Es stimme nicht, dass alles erodiere.

Der Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch vom Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum sagte, in Teilen der Gesellschaft sei eine alarmierende Entfremdung von der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland festzustellen. Nur ein kleiner Teil der AfD-Wähler seien Protestwähler. Von der AfD gehe eine „fundamentale Bedrohung der Demokratie“ aus. Dagegen sei eine strategische Neuausrichtung demokratischer Politik notwendig.

Botsch sagte, es sei verblüffend, wie wenig sich die demokratischen Parteien mit Strategien zur Eindämmung antidemokratischer Entwicklungen befassten. Themen der AfD aufzugreifen, wie dies unter anderem im Wahlkampf geschehen sei, helfe dabei nicht. Er vermisse auch Bildungsstrategien, betonte der Professor der Universität Potsdam.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht in den Wahlerfolgen der AfD bei der Jugend vor allem ein Versagen von Eltern und Bildungseinrichtungen. Er frage sich, was in der Erziehung in Elternhäusern und Schulen schiefgelaufen sei, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“ (Dienstag): „Die politische Bildung und die Aufklärung, wie Demokratie funktioniert, hat hier versagt.“ Zugleich habe die AfD medial und kommunikativ einen dramatischen Einfluss auf die Jugend, insbesondere im Internet.

Auch der Verein Opferperspektive, der in Brandenburg Opfer rechter Gewalt berät und unterstützt, blickt mit Sorge auf die Wahlergebnisse. Geschäftsführerin Judith Porath sagte am Dienstag in Potsdam, die Zugewinne der AfD trieben den gesellschaftlichen Rechtsruck massiv voran, die Hemmschwelle für Gewalt sinke. Die Beratungsstelle beobachte bereits seit dem vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg rassistisch motivierter Gewalt gegen Kinder und von rassistischem Mobbing an Schulen. Landes- und Bundespolitik müssten deutlich mehr Verantwortung für den Schutz Betroffener übernehmen, forderte Porath.