Experte sieht Zurückweisungen kritisch

Hans Vorländer
Christoph Soeder/dpa
Migrationsexperte Hans Vorländer rät dazu, die verabredeten Reformen des Asylsystems auf EU-Ebene umzusetzen.
Flüchtlinge an deutschen Grenzen
Experte sieht Zurückweisungen kritisch
Die geplanten Zurückweisungen an deutschen Grenzen schaden der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, befürchtet Migrationsexperte Hans Vorländer. Die Organisation Pro Asyl bezweifelt, dass überhaupt mehr Menschen abgewiesen werden können. Und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) fordert eine Versachlichung der Debatte.

"Mein Rat wäre, darauf zu setzen, die verabredeten Reformen des EU-Asylsystems mit den europäischen Partnern schnell umzusetzen", sagte Hans Vorländer, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (12.9.). Die geplanten Zurückweisungen könnten dazu führen, "dass es zu einem Rückstau von Geflüchteten in anderen ost- und mitteleuropäischen Ländern kommt und andere Durchgangsländer weiter nach hinten abschieben", warnte Vorländer.

Zurückweisungen seien zwar prinzipiell nach EU-Bestimmungen möglich, es gebe dafür aber hohe organisatorische und logistische Hürden. So müsse sichergestellt werden, dass das EU-Recht und die Asylverfahrensrichtlinien tatsächlich eingehalten werden. "Hinzu kommt, dass jene Geflüchtete, für die kein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig ist, auch die Möglichkeit haben müssen, in Deutschland nach wie vor einen Asylantrag zu stellen", betonte der Experte.

Die sogenannte Dublin-III-Verordnung, die festlegt, welcher EU-Mitgliedsstaat für ein Asylverfahren zuständig ist, funktioniere nicht, sagte Vorländer. So nehme etwa Italien so gut wie keine Asylsuchenden mehr zurück. In Österreich und Polen rege sich bereits Widerstand gegen die geplanten Maßnahmen Deutschlands.

Der von Vorländer geleitete Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein vom Bund finanziertes, unabhängiges Expertengremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Die Bundesregierung will zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland Asylsuchende, für die nach der Dublin-Regelung ein anderer EU-Staat zuständig wäre, in einer Art Grenzverfahren festhalten und möglichst schnell dorthin zurückschicken. CDU und CSU gehen noch weiter und fordern pauschale Zurückweisungen an der Grenze, das hält die Regierung nicht für vereinbar mit europäischem Recht.

Kaum Effekt in der Praxis

Die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl bezweifelt, dass mehr Asylsuchende an deutschen Grenzen zurückgewiesen werden können, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. "Wenn man sich an Recht hält, wird sich die Zahl der Zurückweisungen nicht erhöhen", sagte der Leiter der Pro-Asyl-Europaabteilung, Karl Kopp, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (12.9.). Italien nehme seit geraumer Zeit niemanden mehr zurück. Die Bereitschaft dazu müsse aber vorhanden sein. Griechenland nehme nur Flüchtlinge aus sieben Herkunftsstaaten auf.

"Und schließlich werden viele Zurückweisungen von deutschen Verwaltungsgerichten gestoppt, weil in den Ländern, in die zurückgewiesen werden soll, unmenschliche Behandlung droht, da es dort kein Bett, kein Brot und keine Seife gibt", sagte Kopp. Das sei etwa in Bulgarien der Fall oder in Belgien, wo männliche Flüchtlinge keinen Schlafplatz mehr bekämen. Kopp betonte: "Wir können die Menschen nicht ins Elend schicken."

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mahnte eine Diskussion über gelingende Zuwanderung an - "und nicht immer mehr Abschottung". Zugleich forderte Ramelow einen schnelleren Abschluss von Asylverfahren. "Außerdem brauchen wir dringend vertragliche Vereinbarungen mit allen Maghreb-Staaten, in denen organisierte Zuwanderung und auch Rückführung geregelt wird", sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (12.9.). Dazu wiederum sei eine reibungslose Visa-Erteilung für diejenigen nötig, "die wir selbst anwerben".