Berlin (epd). Die Bundesregierung will mit einer Verschärfung des Asylrechts, weitgehenden Messerverboten und mehr Befugnissen der Sicherheitsbehörden bei Islamisten auf den Messeranschlag von Solingen reagieren. Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Justizminister Marco Buschmann (FDP) und die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Anja Hajduk (Grüne), stellten am Donnerstag in Berlin ein „Sicherheitspaket“ vor, über das die Ampel seit dem Wochenende verhandelt hatte. Zu den nach Faesers Worten „harten Maßnahmen“ gehört, bei Flüchtlingen, für die ein anderes EU-Land zuständig ist, die Sozialleistungen „auf null“ zu reduzieren.
Faeser zufolge sollen sie nur noch Geld für die Reise in das jeweilige Land erhalten, sobald der andere europäische Staat der Überstellung zugestimmt hat. Der mutmaßliche Täter von Solingen hätte nach der Dublin-Regelung im vergangenen Jahr nach Bulgarien überstellt werden können. Ein Abschiebeversuch scheiterte aber - kein Einzelfall: Sogenannte Dublin-Überstellungen finden deutlich seltener statt als möglich.
„Pro Asyl“ wies darauf hin, dass es schon jetzt geminderte Leistungen für Geflüchtete gebe, für die ein anderer Mitgliedstaat zuständig sei. Es sei aber „offen, ob dies rechtskonform ist“. Die Vorschläge zur vollständigen Streichung der Leistung für sogenannte Dublin-Fälle ist aus Sicht der Flüchtlingshilfsorganisation „absehbar verfassungswidrig“.
Die Bundesregierung will dem vereinbarten Papier zufolge auch eine Task Force von Bund und Ländern einrichten, um die Zahl der Überstellungen zu steigern. Buschmann sagte, es habe viele Menschen und auch die Politik „erschüttert“, dass der Täter von Solingen nur deshalb nicht abgeschoben worden sei, weil die Behörden ihn nicht angetroffen hätten. „Das muss aufhören“, unterstrich der Justizminister. Man werde gesetzlich sicherstellen, dass die Behörden künftig das Recht durchsetzen müssten. Hajduk ergänzte, der Vollzug dieser Überstellungen müsse weiterverfolgt werden.
Zudem sollen Flüchtlinge künftig ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie in ihr Heimatland reisen. Ausnahme dafür sollen wichtige Gründe sein, etwa die Beerdigung eines Familienmitglieds, erläuterte Faeser. Auch will die Bundesregierung ukrainische Geflüchtete von der Regelung ausnehmen. Weil wehrfähige Männer im Land bleiben müssen, sei eine Reise in die Ukraine die einzige Möglichkeit, Ehepartner oder Söhne zu sehen, begründeten Faeser und Buschmann die Ausnahme.
Faeser betonte, bei Solingen gehe es um einen mutmaßlich islamistischen Täter, der als sogenannter Dublin-Fall nach Deutschland gekommen sei und um eine „widerwärtige Tat“ mit einem Messer. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag), das Papier der Ampel-Koalition enthalte „nichts Falsches“. Doch setze die Regierung weiter die falschen Schwerpunkte und ziehe die falschen Schlüsse. Er forderte, die irreguläre Migration zu begrenzen.
Faeser zufolge sollen zudem Messerverbote deutlich ausgeweitet werden. Laut dem Papier soll es ein generelles Verbot für Springmesser mit Ausnahme bestimmter Berufsgruppen geben. Ein absolutes Messerverbot soll künftig auf großen Veranstaltungen wie Volksfesten, Sportereignissen, Messen oder Märkten herrschen, ebenfalls mit Ausnahmen etwa für die Gastronomie. Messerverbote sollen zudem künftig auch für kriminalitätsbelastete Orte, etwa Bahnhöfe, sowie für Bus und Bahn möglich sein. Für die Umsetzung soll der Bundespolizei erlaubt werden, Menschen verdachtsunabhängig zu kontrollieren.
Die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich zufrieden mit diesem Passus. Ihr Vorsitzender Andreas Roßkopf sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag): „Die Möglichkeiten, stichpunktartig und anlasslos kontrollieren zu können, sind ein wichtiges Instrument.“
Justizminister Buschmann, dessen Partei eine Verschärfung des Waffenrechts lange abgelehnt hatte, erläuterte, die Maßnahmen richteten sich nicht gegen legale Waffenbesitzer. Es gehe um Gefahrenlagen wie in Solingen, wo der Täter möglichst viele Menschen habe ermorden oder verletzen wollen.
Im Bereich Islamismus will Faeser den Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse geben. Dabei verwies sie unter anderem auf den biometrischen Abgleich von Internetdaten zur Gesichtserkennung und zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Zudem ist in dem Bereich einer Task Force mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis zur Islamismusprävention geplant.
Die geplanten gesetzlichen Änderungen müsse nun in konkrete Entwürfe gegossen werden. Das letzte Wort über die Änderungen hat der Bundestag.