Pilotprojekt zu häuslicher Gewalt: Hilfsangebot am Bahnhof

Pilotprojekt zu häuslicher Gewalt: Hilfsangebot am Bahnhof
Rund um die Uhr und unauffällig sollen sich Frauen Hilfe holen können, die zu Hause oder in ihrem Umfeld Gewalt ausgesetzt sind. Die Bundespolizei hat eine Anlaufstelle am Ostbahnhof in Berlin eingerichtet. Weitere sollen folgen.

Berlin (epd). Es ist ein zusätzliches Angebot für Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind und Hilfe suchen: Die Bundespolizei hat am Donnerstag am Berliner Ostbahnhof eine Anlaufstelle eröffnet, die rund um die Uhr besetzt ist. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war im Rahmen ihrer Sicherheitstour zur Eröffnung gekommen und machte misshandelten Frauen Mut: „Niemand sollte sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein“, sagte Faeser bei der Eröffnung des Büros.

Zwar könnten Betroffene auf jeder Polizeidienststelle Anzeige erstatten, sagte Faeser. Doch sei ein weiteres, leicht zu erreichendes Angebot sinnvoll. Auf dem Bahnhof sei man anonym, mancher Betroffenen falle der Weg dorthin möglicherweise leichter. Faeser sagte: „Wir wollen, dass mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und mehr Frauen vor Gewalt geschützt werden.“ In der Anlaufstelle arbeiten ausschließlich besonders geschulte Polizeibeamtinnen, keine männlichen Kollegen. Sie beraten, helfen und nehmen Strafanzeigen auf.

„Es ist unerträglich, dass alle vier Minuten eine Frau in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt wird“, sagte Faeser. Sie hofft, dass sich das neue Angebot bewährt. Im Rahmen einer Pilotphase ist nach Faesers Angaben eine zweite Anlaufstelle der Bundespolizei am Kölner Hauptbahnhof geplant. Für die Bahnhöfe ist nicht die jeweilige Landespolizei, sondern die Bundespolizei zuständig, die dem Bundesinnenministerium untersteht.

In Deutschland wird laut Faeser alle vier Minuten ein Mensch Opfer häuslicher Gewalt. Nach dem im Juni vorgestellten Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zur häuslichen Gewalt gab es 2023 mehr als 256.000 Opfer. Das waren 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 70,5 Prozent der Opfer sind weiblich, während drei Viertel (75,6 Prozent) der mutmaßlichen Täter männlich sind. Faeser sagte, in den vergangenen fünf Jahren seien die registrierten Übergriffe um 20 Prozent gestiegen.

Dem BKA-Lagebild zufolge gab es im vergangenen Jahr insgesamt 903 Fälle versuchten und vollendeten Mordes oder Totschlags gegen Frauen. 509 davon geschahen im nächsten Umfeld. 247 Frauen kamen laut BKA infolge häuslicher Gewalt ums Leben. Das BKA geht von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Es erarbeitet deshalb ein zusätzliches Lagebild zu der ausschließlich gegen Frauen gerichteten Gewalt. Ergebnisse sollen im kommenden Jahr vorliegen.