Gut vorbereitet sein für die letzte Lebensphase

erwachsene Tochter tröstet ihren Vater
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Emotionaler Beistand in der Familie ist am Ende besonders wichtig - die Erbregelung, Vollmachten, Patientenverfügung, eigener Willen, Testament etc. sollten am besten schon frühzeitig geklärt und in der Familie thematisiert sein.
Vom Testament zur Patientenverfügung
Gut vorbereitet sein für die letzte Lebensphase
Kostenlose Online-Workshops der Landeskirchen und Diakonie
Ein Unfall, gar in jungen Jahren, Demenz, tödliche Krankheiten und Umstände, in denen die eigene Urteils- und Entscheidungsfähigkeit massiv eingeschränkt sind - was ist zu tun, um sich für diese Situationen zu wappnen? Viele schieben diese elementaren Fragen auf, andere verweigern sich dem. Doch wer das frühzeitig angeht, kann später besser dastehen. Davon kann der Autor des Textes aus eigner Erfahrung berichten. Wer sich konzentriert informieren will, dem bieten am 14.9.24 die evangelischen Landeskirchen mit der Diakonie - zum "Internationalen Tag des Testaments" (13.9.) - das Online-Forum "Gut vorsorgen und vererben" an. Zu den kostenlosen Online-Workshops kann man sich noch anmelden. Auch Fachanwalt Achim Nolte mit kirchlichem Hintergrund ist als Referent dabei.

Ist das Erbe geregelt, wie müssen eigentlich Vollmachten aussehen und kann ich den eigenen Willen auch dann noch - etwa Ärzten gegenüber - durchsetzen? Die Info-Veranstaltung "Gut vorsorgen und vererben" bietet am 14.9. in der Zeit von 14.00 bis 17.15 Uhr die Möglichkeit, sich über verschiedene Aspekte der Thematik zu informieren und persönliche Fragen zu klären. Das komplette Programm ist auf der Homepage (www.tag-des-testaments.de) zu finden. Dort gibt es auch die Möglichkeit zur Anmeldung. Veranstalterin ist "Was bleibt.", eine gemeinsame Initiative Evangelischer Landeskirchen und ihrer Diakonischen Werke.

Landesbischof Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland wird den Thementag mit einem theologischen Impuls eröffnen. Nach einer Einführung ins Erbrecht und Vorsorgerecht gibt es Workshops, die Schwerpunkte und spezielle Lebenslagen vertiefen. So sollen Themen wie "Vorsorge für junge Familien", "Steueroptimiertes Erben und Vererben", "Vorsorge am Lebensende – Was bringen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?" oder auch "Vorsorge- und Erbrecht im Unternehmensbereich" behandelt werden. 

Der Hintergrund: Es gibt viele Situationen, für die es wichtig ist, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse schriftlich und (rechts-)verbindlich festzuhalten, da in vielen Pflegefällen oder anderen Situationen die unmittelbar Betroffenen nicht mehr selbst bestimmt handeln können. Eindeutige Absprachen bringen dann Klarheit – gerade für die ausgewählten Vertrauenspersonen.

Beispiel: Patientenverfügung. Sie soll eine schriftliche, verbindliche Handlungsanweisung an Ärzte und Pflegepersonal sein und regelt, welche Behandlungen und ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden sollen und welche nicht - und kommt nur dann zum Tragen, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr klar äußern kann.

Den Workshop zur Frage "Was bringen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?" leitet Achim Nolte, Fachanwalt für Erbrecht in Freiburg, zertifizierter Testamentsvollstrecker und Mediator. Nolte hat auch einen kirchlichen Hintergrund: Er war von 2003 bis 2014 Ehrenamtlicher Richter am kirchlichen Verwaltungsgericht. Von 1999-2003 und 2015-2021 gehörte er der Synode der Evangelischen Landeskirche in Baden an. Seit 1999 stand er 24 Jahre lang als Prädikant auf den Kanzeln des Kirchenbezirks Freiburg.

Hochsensibel: Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung

Noltes Workshop richtet sich auch an alle in der letzten Lebensphase, so der Referent. Vor allem an den "hochsensiblen" Themen Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung sei das Interesse in der Gesellschaft "ungebrochen groß", sagte Nolte gegenüber evangelisch.de. Eine Patientenverfügung müsse nämlich sehr gut vorbereitet werden. Nolte sieht dabei diverse Konfliktphasen - und -felder: Zunächst stelle sich die Frage, wie muss die Patientenverfügung oder eine Vollmacht (etwa für das Geschäftliche wie Finanzen, Immobilien etc.) überhaupt formuliert sein und wo finde ich Antworten. Je mehr man sich damit beschäftige, umso schwieriger erschienen Antworten und das richtige Vorgehen.

Auch wenn es in gesundem Zustand und emotional schwer fällt - intensive Gespräche etwa mit den eigenen Kindern, die bevollmächtigt und patientenverfügt werden sollen,  sind dringend und frühzeitig angeraten .

Im Kern gehe es in gesundheitlichen Fragen darum, wann Maßnahmen zur Lebenserhaltung und wann nur noch palliative Schritte gewünscht seien. Nolte rät, diese Fragen noch in einem halbwegs gesunden Stadium anzugehen und sich dabei nicht nur auf Vordrucke mit lauter Ankreuzmöglichkeiten zu verlassen. Diese ließen am Ende oft Fragen offen, die in der konkreten Situation Angehörigen und Bevollmächtigten sowie dem Ärzte- und Pflegepersonal das Vorgehen erschwerten. "Je persönlicher, individueller und je aktueller die Patientenverfügung verfasst ist, umso besser funktioniert sie im Ernstfall und wird dann auch ernst genommen", unterstreicht Nolte. Mal eben schnell etwas aus dem Internet herausfischen, sei nicht die beste Lösung. 

Alle paar Jahre die Patientenverfügung mit neuen Unterschriften sich wieder ins Bewusstsein zu holen und zu erneuern, helfe, sich mit den - möglicherweise inzwischen veränderten - Realitäten und Ansichten auseinanderzusetzen. Nolte: Im Online-Workshop am Samstag werde man gemeinsam vertiefen, wie jemand ganz konkret dafür sorgen könne, dass bis zuletzt die "individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden".

Was tun, um Streit Bevollmächtigter zu verhindern?

Dabei gehe es um Fragen wie: Können zum Beispiel mehrere Kinder oder Menschen Vollmachten erhalten? Was aber, wenn diese jetzt oder später verschiedene Ansichten haben? Das führt auch schon mal zum Streit oder gar schlimmen Verwerfungen. Nolte: "Je mehr Menschen mitentscheiden sollen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der eine die Patientenverfügung so und die andere wiederum anders auslegt." Um das und vor allem tiefe Zerwürfnisse in der Familie zu verhindern, kann eine eindeutig in der Betreuungsvollmacht und der Patientenverfügung festgelegte Reihenfolge der entscheidenden Personen helfen, so Nolte.

Für Vollmachten rät der Fachanwalt eine Empfehlung: Er schlägt manchen Mandanten vor, den beruflichen Hintergrund der mit Vollmachten Ausgestatteten zu berücksichtigen: Arbeite jemand im Finanzwesen, könne die/der die Bankgeschäfte der Eltern übernehmen; ist jemand Arzt/Ärztin sei das eine gute Voraussetzung für die gesundheitlichen Entscheidungsfälle. Überraschend, aber plausibel klingt der Vorschlag eines "Wechselmodells" des Fachanwalts: Bei geraden Jahreszahlen könnte immer die eine Person als Betreuungsbevollmächtigte/r und Patientenverfügte/r für das entsprechende Elternteil zuständig sein, bei ungeraden Jahreszahlen die andere ausgewählte Person. "Da zwingt, die Personen, bei der Übergabe an die jeweils andere Person sich mit der Materie wieder neu zu befassen" und fördere so auch den Austausch zwischen den Familienangehörigen und für diese Aufgaben ausgesuchten Personen in diesen wichtigen Lebensentscheidungen für die Betroffenen. 

Persönliche Erfahrungen des Autors

Wie elementar wichtig es ist, die Gestaltung einer Patientenverfügung und der Betreuungsvollmachten frühzeitig sehr ernst zu nehmen, hat der Autor dieses Artikels in den jeweiligen finalen Lebensphasen seines Vaters und seiner Mutter - und auch nach dem Eintreten des jeweiligen Todesfalls - erlebt.

Markus Elsner: "Mein Vater hat sich damals nach seiner ersten von später insgesamt vier Krebserkrankungen von Ministerien, karitativen Verbänden und Beratungsstellen alle verfügbaren Unterlagen und Vordrucke für eine Patientenverfügung für das Gesundheitliche und Betreuungsvollmachten für das Geschäftliche - Finanzen, Immobilienbesitz, Post, Rente etc. - zusenden lassen. Daraus hat er die zu entscheidenden Kernfragen gefiltert und seine persönlichen Wünsche und die meiner Mutter selbst in einem jeweils einseitigen Konzentrat verdichtet."

Mit diesen individuellen Erklärungen war der Autor dann schon in der Todesphase und direkt danach in der Lage, sofort und ohne Einschränkungen oder Widerständen im Interesse seines Vaters und sieben Jahre später seiner Mutter schnell agieren und entscheiden: "Ob Ärzte im Krankenhaus, Bankvertreter, Kranken- und Rentenversicherungen, Behördenvertreter - alle schauten kurz auf die einseitigen Verfügungen meiner Eltern - und es gab für mich in diesen wichtigen Momenten keinerlei Probleme."

Sonderfall Immobilienverkauf

Einzig die Frage eines möglichen Immobilienverkaufs - noch zu Lebzeiten eines verbliebenen Ehepartners - muss über eine individuelle Erklärung hinaus entweder mit dem Betreuungsbehörde amtlich oder mit einer notariell beglaubigten Erklärung oder Verfügung zugunsten der Kinder oder anderer Bevollmächtigter geregelt werden.   

Bei den Workshops am 14.9. stehen noch weitere Themen auf der Tagesordnung, etwa das Testament: Systematisch gehe man Fragen an wie: Was wird aus meinem Vermögen, wenn ich einmal nicht mehr bin? Wie kann es bei mir ganz persönlich gelingen, dass sich meine Familie nicht über das Erbe zerstreitet? Wie können wir uns als Ehepartner wechselseitig absichern und was bedeutet für mich eine "gerechte" Verteilung? Ist mir neben meiner Familie etwas wichtig geworden, das auch über meinen Tod hinaus weitergehen soll? 

Auch der Digitale Nachlass wird aufgearbeitet: Online-Konten, E-Mails, Social-Media-Profile, PC-Dateien und Online-Finanzdienste sind wichtige Bestandteile des alltäglichen Lebens geworden. Es sei daher von entscheidender Bedeutung - so die Workshop-Ankündigung -, auch diese Aspekte in die eigene Planung einzubeziehen: Wie kann man regeln, wer nach dem eigenen Tod auf welche Teile der eigenen digitalen Identität und digitalen Nachlasswerte Zugriff erhält? Mit welchen Schwierigkeiten werden Erb:innen beim digitalen Nachlass konfrontiert werden und wie können sie dies vermeiden?

Die kostenlosen Workshops am 14. September 2024:

15.30 Uhr 1. Workshop-Phase: Fragen am Ende des Lebens: Was leistet Palliativversorgung? - Dr. Georg Schiffner; Steueroptimiertes Erben und Verschenken – Rechtsanwalt Patrick Graf; Vorsorge am Lebensende – Was bringen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?  – Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte; Vorsorge für junge Familien – Notar Dr. Christian Grüner, Notarassessor Dr. Philipp Selentin; Testamentsgestaltung am Lebensabend und gemeinnütziges Vererben – Rechtsanwältin Martina Klose
 
16.20 Uhr 2. Workshop-Phase: Digitaler Nachlass – Notarassessor Dr. Philipp Selentin; Vorsorge und Erbrecht für Unternehmer – Notar Dr. Christian Grüner; Testamentsgestaltung am Lebensabend und gemeinnütziges Vererben – Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte; Das Behindertentestament – Rechtsanwältin Martina Klose; Steueroptimiertes Schenken – Rechtsanwalt Patrick Graf; Fragen am Ende des Lebens: Was leistet Palliativversorgung? Dr. Georg Schiffner