Wissenschaftler fordern Aus für Haft nach Schwarzfahren

Wissenschaftler fordern Aus für Haft nach Schwarzfahren
Buschmann legt "in Kürze" Entwurf zur Reform des Strafgesetzbuchs vor
Wer kein Geld für einen Fahrschein im öffentlichen Nahverkehr und die Strafe dafür hat, dem drohen aktuell bis zu einem Jahr Gefängnis. Fachleute und das Bundesjustizministerium wollen das ändern - allerdings unterschiedlich.

Frankfurt a. M., Berlin (epd). 128 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern, Haftstrafen für Schwarzfahrer abzuschaffen. Dazu solle der Paragraf 265a im Strafgesetzbuch, der das Erschleichen von Leistungen sanktioniert, ersatzlos gestrichen werden, verlangten sie am Dienstag in einem Offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Das Justizministerium will einen Reformentwurf zum Strafgesetzbuch „in Kürze“ vorlegen, wie eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Schwarzfahrern im öffentlichen Nahverkehr, die kein Geld für das Bußgeld haben, droht aktuell bis zu einem Jahr Gefängnis.

Den Wissenschaftlern nach entfallen aktuell 25 Prozent der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen nach Paragraf 265a auf Schwarzfahren. Die Haft treffe überproportional Menschen in Armut und prekären Lebenslagen. Dies habe für die Betroffenen oft unverhältnismäßige Konsequenzen, etwa den Verlust der Wohnung. Der Großteil von ihnen sei arbeitslos, jede dritte Person drogenabhängig, viele hätten keinen Wohnsitz.

Die Fachleute, die überwiegend in den Bereichen Kriminologie, Strafrechtswissenschaft sowie Mobilitäts- und Stadtforschung arbeiten, führten außerdem an, dass das Fahren ohne Fahrschein eine der häufigsten Bagatellstraftaten sei. 2023 habe es 148.218 Fälle gegeben, die nach Paragraf 265a verurteilt wurden. Das entspreche rund drei Prozent der Gesamtkriminalität. Dies belaste den Staat personell und finanziell.

Buschmann will den umstrittenen Paragrafen durchaus angehen. Sein Haus hatte im vergangenen Jahr ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs vorgelegt. Teil davon war der Vorschlag, den Paragrafen 265a zur Ordnungswidrigkeit herabstufen.

Davor warnen die Fachleute in ihrem Offenen Brief. Menschen, die sich eine Fahrkarte und Bußgeld nicht leisten könnten, drohten dann bis zu drei Monate Erzwingungshaft. Dabei liege die Haftlänge im Ermessen der Richter: Manche berechneten einen Tag Haft mit 20 Euro, andere mit 80 Euro. Zwar könne Erzwingungshaft nur angeordnet werden, wenn die Person nicht zahlungsunfähig ist. Dies nachzuweisen sei für psychisch und physisch Belastete aber kaum möglich. Zudem warnten die Unterzeichner vor einem hohen Verwaltungsaufwand.

Auch der Freiheitsfonds, der Schwarzfahrende auf Spendenbasis aus der Haft auslöst, plädiert für eine ersatzlose Streichung des umstrittenen Paragrafen. Am Dienstag holte die Organisation nach eigenen Angaben die 1.000 Person aus der Haft, eine Schwangere aus Gelsenkirchen.

Der Organisation zufolge haben bislang elf Städte und ihre Verkehrsbetriebe beschlossen, das wiederholte Fahren ohne Ticket nicht mehr zur Anzeige zu bringen. Dazu gehören Bremen, Düsseldorf, Köln, Münster, Halle und Dresden.