TV-Tipp: "Du bist nicht allein"

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Donnerstag, 25. Juli, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Du bist nicht allein"
In dem Thriller um eine selbstbewusste Lehrerin, die von unbekannter Seite bedroht wird, bekommen auch scheinbar nebensächliche Einstellungen eine abgründige Qualität.

Schon der Titel lockt auf eine falsche Fährte. Mit der heilen Welt, wie sie Roy Black vor fst sechzig fünfzig Jahren in seinem Schlager besungen hat, hat dieser Thriller von Johannes Fabrick nichts zu tun. "Du bist nicht allein": Das ist in diesem Fall kein Trost, sondern eine Drohung.

So empfindet zumindest Lehrerin Eva Kormann (Sophie von Kessel) den Gruß, den sie eines Tages in der Post findet: Der Umschlag enthält neben der Botschaft auch mehrere Fotos, die sie nackt in ihrem Schlafzimmer zeigen. Irgendjemand ist ihr derart nahe gekommen, dass selbst ihre eigenen vier Wände keine Sicherheit mehr bieten. Zum Glück bekommt sie unerwartete Hilfe.

Vor einigen Tagen ist sie ihrem früheren Freund über den Weg gelaufen. Tom (Marcus Mittermeier) hatte sie einst wegen einer anderen verlassen, würde aber gern wieder dort anknüpfen, wo er und Eva, die sich gerade von ihrem Mann Roman (Fritz Karl) scheiden lässt, vor 15 Jahren aufgehört haben. Ihr geht das zwar alles zu schnell, doch als sich die beängstigenden Ereignisse häufen, ist sie froh, dass Tom ihr ritterlich zur Seite steht. Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht dämmert ihr, dass seine Motive womöglich nicht uneigennützig waren.

Für Johannes Fabrick (Buch und Regie) ist "Du bist nicht allein" (TV-Premiere war 2018) ein durchaus ungewöhnlicher Stoff. Der Österreicher steht für namhaft besetzte und stets exzellent gespielte existenzielle Dramen, in denen es oft todtraurig zugeht; "Der letzte schöne Tag" (2012, Grimme-Preis) zum Beispiel handelt vom Umgang mit dem Selbstmord eines geliebten Menschen. Es gelingt ohnehin nur wenigen Regisseuren, in eindrucksvoller Regelmäßigkeit Arbeiten von derart hoher Qualität abzuliefern, aber Fabricks Filme zeichnen sich zudem durch eine beständige emotionale Tiefe aus, die im deutschen Fernsehen ihresgleichen sucht.

Dass er nun einen Thriller gedreht hat, ist interessanterweise kein Widerspruch, denn es zeigt sich, dass sein Feingefühl sowie die Fähigkeit, Stimmungen zu vermitteln, die perfekten Voraussetzungen sind, um die Geschichte in der Schwebe zu halten: weil über weite Strecken offen bleibt, ob die Hauptfigur in ihren Reaktionen nicht womöglich maßlos übertreibt.

Schon der Auftakt sorgt für eine erste Verunsicherung: Die Kamera zeigt Eva beim Joggen, als urplötzlich ein Mann hinter ihr auftaucht. Die kurz drauf folgende Duschszene wirkt zunächst wie einer jener Reize, die ein männliches Publikum bei der Stange halten sollen, zumal es nicht bei dieser einen Nacktszene bleibt, doch die ohnehin nicht voyeuristisch gefilmten Aufnahmen (Kamera: Helmut Pirnat) setzen keine plumpen Reizpunkte. Sie sind vielmehr Teil der Geschichte, denn sie signalisieren Attraktivität und Selbstbewusstsein.

Außerdem meistert Sophie von Kessel, mit der der Regisseur früher öfter zusammengearbeitet hat (zuvor etwa bei dem Psychokrimi "Die Tochter des Mörders", 2010), diese für keine Schauspielerin angenehmen Szenen mit großer Souveränität. Andererseits wirkt Eva in diesen Momenten sehr verletzlich. Ein weiteres Detail unterstreicht diesen Eindruck: Die Lehrerin, die sich so selbstbestimmt gibt, leidet unter Arachnophobie. Zunächst mutet es etwas übertrieben an, als sie angsterfüllt erstarrt, weil eine harmlose Spinne ihren Weg im Lehrerzimmer kreuzt. Der Vorfall fügt sich jedoch in eine Kette von Ereignissen ein, die ihr langsam, aber sicher den Boden unter den Füßen wegziehen.

An Verdächtigen herrscht kein Mangel. Der zukünftige Ex-Mann zum Beispiel macht aus seiner Feindseligkeit keinen Hehl. Dass Fritz Karl bereit war, diese kleine Rolle in einem Film seines Landsmanns zu übernehmen, unterstreicht die Bedeutung Fabricks. Gleiches gilt für Matthias Koeberlin. Er spielt einen Kollegen Evas, der sich bei jeder Begegnung im Lehrerzimmer recht plump an sie ’ranmacht.

Die namhaften Besetzungen dienen indes keinem Selbstzweck. Gerade Karl, vor allem vom weiblichen TV-Publikum wegen seines Charmes geschätzt, hat ja auch diverse Schurkenrollen vorzuweisen. Bei Marcus Mittermeier reicht das Rollenspektrum ebenfalls vom romantischen Liebhaber bis zum gestörten Mörder. Außerdem sorgt die vorzügliche Thriller-Musik (Manu Kurz) dafür, dass sich Eva permanent auf dünnem Eis bewegt: weil das Grauen jederzeit zuschlagen kann.

Auf diese Weise bekommen harmlose Einstellungen eine gewisse Abgründigkeit, und selbst ein unschuldiger Rosenstrauß wird zu einem Omen des Bösen. Weil Fabrick dieser Balanceakt so ausgezeichnet gelingt, nimmt die Spannung paradoxerweise ab, als der Stalker endlich sein wahres Gesicht zeigt, und natürlich kommt der Angriff aus einer völlig anderen Richtung als erwartet.