TV-Tipp: "Getrieben"

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Donnerstag, 1. August, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Getrieben"
Um zerstörerische Beziehungen geht es bei diesem Thriller, der gleich mit einem Knaller beginnt. Eine Psychologin und eine Polizistin agieren als Ermittlerinnenduo.

Die Frauen sind schön, die Bilder auch; wenn da bloß nicht die Musik wäre! Wobei: Der Begriff "Musik" weckt völlig falsche Assoziationen; "Geräusche" wäre treffender, denn Melodien im herkömmlichen Sinn sind die Ausnahme in diesem Hochglanz-Thriller. Fabian Römer und Steffen Kaltschmid haben einen Klangteppich komponiert, der wie ein ständiger Unruheherd wirkt. Es gab mal ein Schülerdrama über einen vermeintlichen Amokläufer, das den Titel "Ihr könnt euch niemals sicher sein" trug; dies ist exakt das Gefühl, das die Musik vermittelt.

Und es passt perfekt: "Getrieben" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2018) ist ein Thriller über zwei Frauen, die einen Serienmörder suchen; selbstverständlich gerät am Ende eine der beiden selbst in Lebensgefahr. Die beiden Frauen waren, wie der Film zunächst nur andeutet, vor nicht allzu langer Zeit ein Paar. Mit der Beziehung hat Psychologin Kara Bischoff (Petra Schmidt-Schaller) auch einen Schlussstrich unter ihre Zusammenarbeit mit Sibylle Deininger (Ulrike C. Tscharre) gezogen, doch nun braucht die LKA-Kommissarin ihre Hilfe.

Eine Frau ist auf bizarre Weise im eigenen Bett ermordet worden. Ihr Körper zeigt viele Schnittwunden, aber die Todesursache war eine andere: Der Täter hat sie mit Fahrradschläuchen so heimtückisch gefesselt, dass sie sich durch ihre Befreiungsversuche selbst stranguliert hat.

Regiedebüt von Maris Pfeiffer, die das Drehbuch von Sabrina Maria Roessel und Axel Hildebrand überarbeitet hat, war einst die romantische Kinokomödie "Küß mich!" (1995). Damals hatte sie vermutlich nicht den Plan, dereinst vor allem Kriminalfilme fürs Fernsehen zu drehen. Ob ihr eine Wahl bleibt oder nicht, weil ARD und ZDF größtenteils nur noch Krimis produzieren lassen, sei dahingestellt; entscheidend ist die Qualität ihrer Arbeit. Zeitverschwendung ist sie jedenfalls nie; ihre letzten Filme, überwiegend Beiträge zu Reihen wie "Tatort" oder "Polizeiruf 110" waren regelmäßig sehenswert.

Pfeiffers Inszenierungen zeichnen sich meist durch eine subtile Spannung aus. Ein Thriller funktioniert natürlich anders; das Genre lebt geradezu vom Nervenkitzel. Entsprechend wichtig sind Bildgestaltung, Musik und Sounddesign. Beim TV-Thriller muss außerdem schon der Auftakt sitzen, und um dies zu gewährleisten, bringt Pfeiffer gewissermaßen im Wortsinne ein Opfer: Sinja Dieks, gern auch als Hauptdarstellerin besetzt, hat hier nicht mehr zu tun als nach Hause zu kommen, den Fernseher einzuschalten und sich umbringen zu lassen.

Natürlich birgt es ein gewisses Risiko, einen Film mit einem ungewöhnlich inszenierten Mord zu beginnen, erst recht, wenn sich damit auch noch eine bekannte Schauspielerin aus dem Kreis der Mitwirkenden verabschiedet. Das weckt Erwartungen, die das Drehbuch aber erst mal souverän ignoriert, indem es Karla bei der Arbeit zeigt. Ihr Patient ist ein trockener Alkoholiker (Matthias Matschke), der im Verlauf der weiteren Sitzungen eine Zeichnung über einen immer wiederkehrenden Alptraum verfeinert. Auf seinem ersten Entwurf sind nur eine kleine und eine große Gestalt zu sehen, aber je mehr Details der Mann hinzufügt, desto deutlicher wird das Grauen.

Als das Bild schließlich fertig ist, wird es dank eines cleveren Animationseffekts auf verblüffende Weise lebendig. Außerdem findet Kara heraus, dass Grewe in seiner Kindheit ein traumatisches Erlebnis hatte; auch hier spielten Fahrradschläuche eine entscheidende Rolle.

Sehenswert ist der Krimi auch wegen des reizvoll zusammengestellten Ensembles. Die Besetzungsliste ist imposant, weil selbst für kleine Nebenrollen namhafte Schauspieler engagiert wurden. Entscheidender ist jedoch die Beziehung zwischen den beiden Frauen, die sich im Verlauf der Mördersuche prompt wieder näherkommen; erst recht, als klar wird, dass der Täter aus dem Umfeld der Psychologin stammen muss.

Dass die Ereignisse immer wieder aus seiner Perspektive gezeigt werden, erhöht die Spannung natürlich, weil die Zuschauer auf diese Weise mit eigenen Augen sehen, wie nahe der Mörder ihr bereits ist. Wie in vielen Filmen über Psychologen gibt es im ersten Akt eine Vorlesungsszene, in der Kara angehende Kollegen über verschiedene Formen der destruktiven Beziehungssymbiose informiert. Auf diese Weise bekommt die Geschichte ein Subthema, das sich in den verschiedenen Handlungsebenen wiederfindet; und das Publikum einen versteckten Hinweis auf die verblüffende Lösung des Falls, die gradewegs zum fesselnden Finale führt.