Berlin (epd). Nach den Beratungen der Regierungschefinnen und -chefs der Länder geht die Debatte um die Asylpolitik weiter. Die Kommunen sehen eine Drittstaatenlösung mit Asylverfahren außerhalb der EU skeptisch. Es sei nicht davon auszugehen, dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen werde, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag).
Notwendig seien „viele einzelne Bausteine“, sagte Berghegger. Dazu könnten wirksame Grenzkontrollen gehören, die rasche Umsetzung des EU-Asylkompromisses und die Reduzierung sogenannter „Pull-Faktoren“, etwa durch den Einsatz der Bezahlkarte. Von zentraler Bedeutung sei zudem, dass die Städte und Gemeinden von den Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration vollständig entlastet würden.
Die Innenminister der Bundesländer hatten sich bei ihrer Konferenz in Potsdam unter anderem dafür ausgesprochen, die Möglichkeit von Asylverfahren in Drittstaaten weiter zu prüfen. Am Donnerstag hatte die Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vereinbart, dass die Bundesregierung „konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten“ entwickeln soll.
Aus den Reihen der SPD verlautete hierzu deutliche Kritik. Das „Erwartungsmanagement“ der Ministerpräsidentenkonferenz sei „erneut mangelhaft“, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag, online). Die Aussagen seien „Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen“. Die Drittstaaten-Modelle seien rechtlich mehr als schwierig und auch praktisch nahezu unmöglich.
Serpil Midyatli, stellvertretende SPD-Bundeschefin, sagte, Drittstaatenregelungen wie das britische „Ruanda-Modell“ und die Pläne Italiens mit Albanien seien keine Lösung für Fluchtursachen. Dadurch würden zudem neue Probleme geschaffen: „Asylzentren im Ausland sind teuer, ineffizient und in der Umsetzung kompliziert.“
Die Sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, erklärte, die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz seien „ein weiterer Schritt hin zu einer restriktiven Abschiebepolitik“. Sie halte es „für höchst fragwürdig, dass ein solches Modell funktionieren und vor Gerichten standhalten kann“, sagte Stolla dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Der Konstanzer Völkerrechtler Daniel Thym hält Abschiebungen von schwerkriminellen Straftätern und islamistischen Gefährdern nach Afghanistan für rechtlich kaum durchsetzbar. Auch wenn sich die Innenminister für eine Abschiebung von IS-Gefährdern nach Afghanistan oder Syrien ausgesprochen hätten, werde sich die Politik daran auch künftig die Zähne ausbeißen, sagte Thym der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). „Bei der Frage, ob jemand abgeschoben werden darf, kommt es nicht darauf an, was derjenige in Deutschland gemacht hat, sondern wie er im Herkunftsland behandelt würde.“ Insbesondere IS-Unterstützern drohe ebenso wie Taliban-Gegnern Folter und Tod.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl äußerte scharfe Kritik an der Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge. „Die Bezahlkarte ist die Verkörperung staatlichen Mobbings gegen schutzsuchende Menschen“, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation, Tareq Alaows, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag). „Und 50 Euro als Bargeldgrenze im Monat ist ein Witz, diese würden Herrn Scholz nicht mal für eine Mahlzeit in einer Gaststätte reichen.“
Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hatte sich am Donnerstag in Berlin mehrheitlich auf eine Bargeldobergrenze in Höhe von 50 Euro bei der bundesweit geplanten Bezahlkarte für Flüchtlinge verständigt. Damit sollen staatliche Leistungen für Asylsuchende und Flüchtlinge künftig weitgehend bargeldlos gewährt werden.