Verbände wollen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst-Platz

Verbände wollen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst-Platz
Einen Tag nach den Pistorius-Plänen für mehr Rekruten bei der Bundeswehr fordern Sozialverbände, die Jugendfreiwilligendienste kräftig aufzuwerten. Mit ihrem Modell kontern sie auch die Rufe nach einem sozialen Pflichtdienst.

Berlin (epd). Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will mehr Freiwillige für die Bundeswehr begeistern, die Sozialverbände wollen einen Schub für die Freiwilligendienste. Mit ihrem Drei-Punkte-Plan könne die Zahl der Freiwilligen in drei bis vier Jahren von 100.000 auf 200.000 pro Jahr verdoppelt werden, sagte der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und AWO-Chef Michael Groß.

Drei Veränderungen sind aus Sicht der 25 Verbände notwendig, die dafür ein gemeinsames Konzept erarbeitet haben: ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst-Platz für alle jungen Menschen, die sich dafür entscheiden, eine deutliche Erhöhung des Freiwilligengeldes und eine Einladung an alle Schulabgängerinnen und -abgänger, sich für ein Jahr zu engagieren. Ebenso wie Pistorius denken die Verbände an ein Anschreiben und, bei Interesse, eine Beratung der jungen Menschen, die sich einen Dienst vorstellen können.

Mit einem Freiwilligengeld auf Bafög-Niveau wollen die Initiatoren die Freiwilligendienste stärker für junge Menschen öffnen, die sich ein Freiwilliges Soziales Jahr im In- oder Ausland heute aus finanziellen Gründen nicht leisten können. Das Freiwilligengeld wäre den Plänen zufolge deutlich höher als die Höchstgrenze für das Taschengeld, die demnächst auf 604 Euro im Monat steigt. Der gerade erhöhte Bafög-Höchstsatz beträgt 992 Euro im Monat. Die Zusatzkosten pro Jahr beziffern die Verbände mit 2,7 Milliarden Euro. Es sei „eine Frage des politischen Willens“, das Geld aufzubringen, sagte der Vertreter für die Freiwilligendienste im Ausland, Claudio Jax.

Ein Pflichtdienst würde den Staat viel mehr kosten, rechnen die Verbände vor, jährlich rund 13 Milliarden Euro. Ein Pflichtdienst wird etwa von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gefordert.

AWO-Chef Groß betonte, es sei „jetzt an der Zeit zu investieren“, statt bei den Freiwilligendiensten zu kürzen. Wie schon im vergangenen Jahr drohen auch für den Bundeshaushalt 2025, der derzeit innerhalb der Regierung ausgehandelt wird, Einschnitte bei der Finanzierung der Freiwilligendienste, die beim Bundesfamilienministerium angesiedelt sind. Groß sagte, gerade eine Demokratie unter Druck profitiere vom ehrenamtlichen Einsatz für die Allgemeinheit. Man werde sich dafür einsetzen, parallel zu den Plänen von Pistorius auch die Attraktivität der Freiwilligendienste zu erhöhen.

Die Verbände, zu denen unter anderem der BUND, das Rote Kreuz, die Malteser, die Deutsche Sportjugend und Umweltschutz-Organisationen gehören, können sich Groß zufolge sogar vorstellen, „unsere gute Idee möglichst innerhalb des Pistorius-Vorschlags“ umzusetzen - und in einem einzigen Anschreiben alle jungen Menschen nach ihrem Interesse für einen Freiwilligendienst oder einen freiwilligen Wehrdienst zu befragen. Bisher machen etwa zehn Prozent der Schulabgänger anschließend ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr. Studien zufolge ist das Potenzial damit aber nicht ausgeschöpft.

Verteidigungsminister Pistorius will für mehr Freiwillige in der Bundeswehr künftig alle 18-Jährigen mit einem Online-Fragebogen erreichen, auf dem sie angeben, ob sie Interesse an einem freiwilligen Grundwehrdienst haben, der mindestens sechs Monate dauert. Damit will er zunächst 5.000 Männer und Frauen pro Jahr gewinnen und ausbilden lassen, später mehr. Für Männer ist die Beantwortung des Schreibens verpflichtend, für Frauen freiwillig.