Johannesburg (epd). Südafrikas bisherige Regierungspartei ANC hat zu einer Regierung der „nationalen Einheit“ aufgerufen. Präsident Cyril Ramaphosa rief in den laufenden Koalitionsverhandlungen die anderen Parteien zum Dialog auf, wie die Zeitung „Daily Maverick“ am Freitag berichtete. Der ANC hatte bei den Parlamentswahlen am 29. Mai deutlich an Zustimmung eingebüßt und erstmals seit Ende des Apartheidsystems 1994 seine absolute Mehrheit verloren. Der Zweck der neuen Regierung müsse sein, die dringenden Probleme anzugehen, die das Land beherrschten, sagte Ramaphosa.
Die einstige Befreiungsbewegung „African National Congress“ (ANC) erreichte lediglich 40 Prozent der Stimmen. Bei der letzten Wahl 2019 hatte die Partei von Freiheitsikone Nelson Mandela noch 57 Prozent der Stimmen erhalten.
Erste Gespräche mit verschiedenen Parteien haben bereits stattgefunden. Eine Regierung der nationalen Einheit würde alle Parteien umfassen, die einer Reihe von Grundsätzen zustimmen. Die Idee ist, dass sie den ANC bei wichtigen Abstimmungen wie dem Haushalt unterstützen, aber ihre eigene politische und ideologische Agenda beibehalten würden. Nach Ansicht von Analysten könnte der ANC mit diesem breit angelegten Ansatz die Wahl eines Koalitionspartners vermeiden, der bei seiner Basis unpopulär sein könnte.
Die Parteien haben nur noch etwas mehr als eine Woche Zeit, um eine Regierung zu bilden, bevor das Parlament zusammenkommt, um den Präsidenten zu wählen. Das Land steht vor großen Herausforderungen: Mit einer Arbeitslosigkeit von rund 40 Prozent, regelmäßigen Stromausfällen und einer ausufernden Kriminalität ist die Unzufriedenheit mit der Regierungsführung des ANC in den vergangenen 30 Jahren groß. Neben dem Nationalparlament wurden am 29. Mai auch neun Provinzparlamente gewählt.