Berlin (epd). Der Verein Mehr Demokratie hat dazu aufgerufen, in den Bundesländern bereits bestehende Möglichkeiten für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf die Bundesebene auszuweiten. Bundesvorstandssprecher Ralf-Uwe Beck begründete die Forderung am Donnerstag in Berlin mit dem Argument, direkte Demokratie sei „oft ein Türöffner für gute Verhandlungen und tragfähige Kompromisse“. Wenn ein relevanter Teil der Bevölkerung per Unterschrift ein Anliegen unterstütze, erkenne die Politik Handlungsbedarf, sagte er bei der Vorstellung des aktuellen Volksbegehrensberichts.
In Deutschland gab es demnach zwischen der Einführung von Volksbegehren im ersten Bundesland 1946 und 2023 insgesamt 456 derartige Verfahren. In 104 Fällen sei es dabei zu Volksbegehren gekommen, in 26 Fällen zu Volksentscheiden, hieß es. Damit hätten Bürgerinnen und Bürger in rund sechs Prozent der Fälle an der Abstimmungsurne über eine politische Sachfrage entschieden.
Insgesamt 70 Mal erzielten Initiativen dem Bericht zufolge einen vollen, 38 Mal einen Teilerfolg ohne Volksentscheid. Zudem gab 17 teils oder gänzlich erfolgreiche Volksentscheide.
Beck sagte, direktdemokratische Möglichkeiten hätten „eine seismografische Funktion“. Die Verfahren müssten jedoch bürgerfreundlicher gestaltet werden. Wo die Regeln gut seien, nutzten die Menschen besonders oft direktdemokratische Verfahren. Das stärke die Demokratie.
Trotz erschwerter Bedingungen seien auch in den Jahren der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2023 viele Verfahren angestoßen worden. Dabei traten dem Bericht zufolge soziale und ökologische Fragen in den Vordergrund. Knapp 30 Prozent seien auf den Bereich Soziales, rund 20 Prozent auf Demokratie und Innenpolitik sowie knapp 20 Prozent auf Umweltschutz entfallen.
Die direkte Demokratie sei in manchen Bundesländern Teil des politischen Alltagsgeschäfts, hieß es. In Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Hessen spiele sie dagegen nahezu keine Rolle. Eine Mehrheit von 416 Verfahren wurde den Angaben zufolge von Bürgerinnen und Bürgern eingeleitet, darunter 67 in Hamburg, 64 in Bayern und 58 in Brandenburg.
Im Mai 2024 öffnete etwa die Volksinitiative „Rettet den Bürgerentscheid!“ in Schleswig-Holstein den Angaben zufolge die Tür für Verhandlungen mit der Landesregierung. Sie seien in einem Kompromiss gemündet. Auch die Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ (2019), „Rettet die Bienen“ (2019) in Baden-Württemberg und „Artenvielfalt“ in Niedersachsen (2020) seien erfolgreich gewesen, obwohl es nicht zum Volksentscheid gekommen sei.
Mehr knapp zwei Drittel der abgeschlossenen Verfahren (256 von 390) scheitern den Angaben zufolge, ohne dass es zu einem Volksentscheid kommt. Die Hauptgründe dafür seien eine mangelnde Anzahl an Unterschriften, der Rückzug der Initiatoren oder Unzulässigkeit.
Zu den Instrumenten der direkten Demokratie, die bislang nur auf Länderebene möglich sind, gehören in der ersten Stufe die Volksinitiative, gefolgt von der umfangreicheren Unterschriftensammlung im Rahmen eines Volksbegehrens und anschließend die Abstimmung im Rahmen des Volksentscheids.