Frankfurt a.M. (epd). In der evangelischen Kirche gibt es nach den Worten der Pfarrerin Hanna Jacobs ein Defizit an konstruktiver Konfliktbewältigung. „Es fehlt ein Weg, um achtsam und fair über schwere Probleme öffentlich zu diskutieren“, sagte die Pfarrerin der Diakonie in Hildesheim der in Frankfurt am Main erscheinenden Monatszeitschrift „chrismon“ in einem online am Donnerstag erschienenen Interview.
Jacobs hatte Mitte Mai in der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ dafür plädiert, den Sonntagsgottesdienst abzuschaffen. Daraufhin habe sie viele negative Reaktionen auf Sozialen Medien und per Mail erhalten. Sie sei „direkt persönlich angegangen“ worden, sagte Jacobs: „Ich sei faul, wolle keine Gottesdienstvorbereitung machen. Oder: Ich sei unfähig, es liege an mir und meiner Arbeit, dass keiner bei mir in den Gottesdienst komme. Ich hätte meinen Beruf verfehlt und sei dumm.“
Häufig seien die Absender Pfarrer gewesen, berichtete die Pfarrerin, besonders jene, die an Stellen arbeiteten, bei denen es um Aus- und Weiterbildung oder am Thema Gottesdienstkultur arbeiteten. „Mein Text wurde hier als Angriff auf die eigene Arbeit gelesen“, vermutete Jacobs. Sie habe mit ihrem Text das Prinzip der Kirche durchbrochen, dass Probleme hinter verschlossener Tür diskutiert werden und nach außen die Harmonie gewahrt bleiben müsse.
Die evangelische Kirche hat nach Jacobs' Worten auch ein Problem mit Sexismus. Wortmeldungen junger Frauen würden besonders heftig kritisiert, schnell komme hier der Vorwurf der Inkompetenz. Zwar habe keiner ihrer Kritiker explizit aufgegriffen, dass sie eine Frau sei, sagte Jacobs: „Es würde keiner öffentlich zugeben, dass das eine zusätzliche Provokation ist.“ Aber die Reaktionen vieler älterer Männer hätten für sie diesen Beigeschmack.