Berlin (epd). Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hat sich angesichts der Angriffe auf Wahlkampfhelfer und Politiker in jüngster Zeit alarmiert gezeigt. Er sehe eine „auffällige Häufung der Gewalt“, sagte er der „tageszeitung“ (taz, Samstag). Die Unzufriedenheit mit staatlichen Institutionen befördere Beleidigungen, Bedrohungen und auch Gewalt. „Und das häuft sich nun vor den anstehenden Wahlen“, sagte er. Am Samstag war die Göttinger Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Kollenrott an einem Wahlkampfstand ihrer Partei von einem Mann angegriffen worden.
Wie die Polizei mitteilte, erlitt die Politikerin bei der Attacke leichte Verletzungen an den Armen. Beamte ergriffen den mutmaßlichen Täter demnach kurz nach dem Zwischenfall in der Nähe. Der 66 Jahre alte Göttinger sei aber vor Ort wieder entlassen worden, nachdem seine Identität festgestellt worden war. Das Staatsschutzkommissariat hat die weiteren Ermittlungen gegen ihn unter anderem wegen Körperverletzung übernommen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte die Attacke scharf. „Es hört nicht auf, es ist schon wieder passiert und es wird leider voraussichtlich nicht der letzte Vorfall dieser Art sein“, sagte er.
Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) trifft inzwischen Vorsichtsmaßnahmen, wenn sie sich unbegleitet in der Öffentlichkeit bewegt. Grund seien die gehäuften Angriffe auf Politikerinnen und Politik im gesamten Land, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf X, vormals Twitter, wünschte sie ihrer Parteikollegin eine schnelle Genesung, sowohl physisch als auch seelisch. „Demokratie lebt von Menschen, die sich einbringen“, schrieb Göring-Eckardt.
Laut BKA-Chef Münch gab es im vergangenen Jahr 5.400 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Die Zahl habe sich verdreifacht in den vergangenen fünf Jahren. Diese Zahlen seien „zumindest ein Alarmsignal“, sagte er. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte einen respektvollen Umgang gerade mit kommunalen Politikerinnen und Politikern. Ihre Nähe zu den Menschen mache sie auch verwundbar, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag).
Münch sieht auch die AfD in der Pflicht, wieder zu einer Versachlichung von Debatten beizutragen. „Jeder politische Akteur, der nicht dazu beiträgt, dass es einen sachlichen Diskurs gibt, sondern Sündenböcke aufbaut - Stichwort Ausländerproblem und Remigration - trägt zu dieser Polarisierung bei“, sagte er und appellierte: „Wir dürfen denen, die destruktiv sind, nicht die Diskussionsräume überlassen.“
Göring-Eckardt forderte mehr Aufklärung darüber, dass populistische Politikmodelle Wohlstand kosten werde und schlecht für das Land sowie ganz Europa seien. „Wir stehen als Gesellschaft insgesamt gerade unter großem Druck und sind tief gespalten“, sagte sie. Hier gegenzusteuern sei aber nicht alleine die Aufgabe der Politik. „Das ist eine Aufgabe, an der wir alle mitwirken müssen. Allen, die sich in dieser Phase zurücklehnen und die anderen machen lassen, kann ich nur sagen, das wird nicht funktionieren.“