Frankfurt a.M. (epd). Der mit Spannung erwartete erste Prozesstag gegen eine mutmaßliche Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Frankfurter Oberlandesgericht ist mit zwei Befangenheitsanträgen der Verteidiger gegen den Senat zu Ende gegangen. Die Anwälte von Prinz Reuß beantragen die Ablehnung des gesamten Senats, die Verteidigung eines weiteren Angeklagten lehnte den Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk wegen Befangenheit ab. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift gegen die insgesamt neun Angeklagten verlesen.
Rechtsanwalt Roman von Alvensleben begründete die Ablehnung der fünf Senatsrichter mit der Aufsplittung des gesamten Verfahrens gegen die mutmaßliche Reuß-Gruppe auf drei Oberlandesgerichte in Stuttgart, München und Frankfurt am Main. Dies bringe drei Beweisaufnahmen vor drei Gerichten mit sich, und jeder Senat bewerte die Inhalte eigenständig. Sein Mandat Prinz Reuß könne sich aber nur vor einem Gericht verteidigen, sagte von Alvensleben. Der Senat in Frankfurt hätte dies verhindern können, wenn er die hiesige Verhandlung nicht zugelassen hätte. Der Senat lasse sich vom Generalbundesanwalt „regelrecht missbrauchen“, sagte Rechtsanwalt Hans-Otto Sieg.
Anwältin Jessica Hamed begründete die Ablehnung von Richter Bonk mit einem erschwerten Kontakt zu ihrem Mandanten Hans-Joachim H. Presseartikel legten nahe, dass die Justiz die Presse vorab über eine Durchsuchung bei ihrem Mandanten informiert habe. Zugleich habe ihr das Durchsuchungsprotokoll bei Prozessbeginn noch nicht vorgelegen. Bonk halte eine Verteidigung ihres Mandanten offensichtlich nicht mehr für notwendig, hier dränge sich der Verdacht der Vorverurteilung auf. Entschieden werden muss über die beiden Anträge nach Angaben einer Sprecherin des Gerichts innerhalb der beiden kommenden Wochen.
Martin Schwab, Verteidiger der Angeklagten Johanna F.-J., nutzet eine Erklärung, um deutlich zu machen, dass seine Mandantin keine „Reichsbürgerin sei“. Sie habe sich nach Demonstrationen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie immer bei der Polizei für die gute Zusammenarbeit bedankt. „Das würden Reichsbürger nie tun“, sagt er.
Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hatte das zweite von drei Staatsschutzverfahren gegen die mutmaßliche Terrorgruppe um Prinz Reuß am Dienstag begonnen. Knapp 140 Minuten lang las Oberstaatsanwalt Tobias Engelstetter die Anklage vor. Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Planung einer „hochverräterischen Unternehmung“ sowie Verstöße gegen das Waffengesetz werden den sechs Männern und drei Frauen vorgeworfen. Für den gewaltsamen Sturz des politischen Systems hätten sie Gewalt und Tote bewusst in Kauf genommen.
Der erste Prozesstag begann am Morgen mit einer Stunde Verspätung. Heinrich XIII. Prinz Reuß sowie die weiteren Angeklagten waren einzeln in den Gerichtssaal geführt worden, niemand trug dabei Handschellen.
Engelstetter beschrieb bei der Anklageverlesung detailliert Treffen der Angeklagten, den Aufbau einer neuen Organisation, die das bestehende politische System ersetzen sollte, Geldzahlungen und Kommunikationswege. Bei den Angeklagten waren Hunderte Waffen gefunden worden.
Neben dem Verfahren in Frankfurt hatte der Generalbundesanwalt im Dezember zwei weitere Anklagen gegen 17 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Vereinigung bei den Oberlandesgerichten in Stuttgart und München erhoben. In Stuttgart wird seit Ende April gegen den sogenannten „militärischen Arm“ der Gruppierung verhandelt. Der Prozess in München beginnt Mitte Juni. Die Gruppe war bei einer Razzia im Dezember 2022 aufgeflogen, als die Polizei 150 Wohnungen im „Reichsbürger“-Milieu durchsuchte.
In Frankfurt stehen die vermuteten Rädelsführer der Gruppe vor Gericht. Neben Prinz Reuß sind das unter anderem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann und Rüdiger v. P., ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr.