Berlin (epd). Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reicht gemeinsam mit 45 weiteren Organisationen eine Beschwerde gegen Deutschland bei der Europäischen Kommission ein. „Damit rügt das Bündnis erneut die Meldepflicht, die seit über 30 Jahren Menschen ohne Papiere faktisch von jeder ärztlichen Versorgung ausschließt“, erklärte die GFF am Montag in Berlin. Die Initiatoren der Beschwerde befürchten, dass das Koalitionsversprechen, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus eine medizinische Basisversorgung zu ermöglichen, in dieser Legislaturperiode nicht mehr eingelöst wird.
„Die EU darf nicht dabei zusehen, wie Deutschland die Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens missachtet und Teilen der Bevölkerung de facto den Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt“, sagte Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF. Sie verwies auf die EU-Grundrechtecharta, die das Recht auf ärztliche Versorgung garantieren soll. Deutschland verstößt nach ihren Worten mit der Meldepflicht im Gesundheitswesen gegen verfassungs- und europarechtliche Vorgaben. In keinem anderen europäischen Land seien die für die Gesundheitsversorgung zuständigen staatlichen Anlaufstellen verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus zu melden.
Menschen, die in Deutschland ohne geregelten Aufenthaltsstatus leben, haben formal zwar einen Anspruch auf Behandlung akuter Erkrankungen. Sobald sie sich an die Sozialbehörde wenden, um den dafür erforderlichen Behandlungsschein zu erhalten, droht ihnen jedoch die Abschiebung. Die Sozialbehörde ist dazu verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Aus Angst vor einer Abschiebung meiden Betroffene den Gang zum Arzt.
Einwanderungskontrolle und Gesundheitsversorgung müssten von der Bundesregierung getrennt behandelt werden, forderte die GFF. Die Europäische Kommission habe jetzt zwölf Monate Zeit, um eine Verletzung von EU-Recht zu prüfen. Liege ein Verstoß vor, könne die Kommission ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren einleiten.