Streik für mehr Geld - und ein besseres Gesundheitswesen

Streik für mehr Geld - und ein besseres Gesundheitswesen
In Kenia gehen seit Wochen Ärztinnen und Ärzte auf die Straße
Seit Wochen streiken Ärztinnen und Ärzte in Kenia für bessere Arbeitsbedingungen. Viele von ihnen müssen teils monatelang auf ihr Gehalt warten.
11.04.2024
epd
Von Birte Mensing (epd)

Nairobi (epd). In weißen Kitteln und blauen OP-Hauben demonstrieren sie auf den Straßen von Kenias Hauptstadt Nairobi. So auch an diesem April-Tag: Trillerpfeifen und Vuvuzelas dröhnen - hoffentlich bis in die Büros der Parlamentsabgeordneten und Regierungsmitglieder.

Seit dem 15. März streiken die 7.000 Mitglieder der Gewerkschaft für Ärzte, Apotheker und medizinisches Personal für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. „Bezahlt Ärzte!“ und „Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht“ steht auf ihren Plakaten, die sie bei Streiks im ganzen Land hochhalten.

Die Ärztinnen und Ärzte fordern damit die Umsetzung einer Vereinbarung mit der Regierung aus dem Jahr 2017. Damals waren ihnen unter anderem eine 40-Stunden-Woche, Überstundenausgleich und umgerechnet mindestens 1.300 Euro Gehalt pro Monat versprochen worden. Doch auch heute noch bekommen sie teils monatelang ihre Lohn nicht.

Dabei war die Vereinbarung hart erkämpft. 100 Tage hatten die Ärztinnen damals die Arbeit niedergelegt. Patienten starben, weil sie nicht mehr versorgt wurden. Auch jetzt wurden im Kenyatta-Universitäts-Krankenhaus in Nairobi bereits fünf Ärzte aus Äthiopien, Tansania und Malawi angeheuert, um auf der Krebsstation die Versorgung der Patienten aufrechtzuerhalten.

Dennoch wollen die Streikenden ihre Arbeit erst wieder aufnehmen, wenn die Vereinbarung umgesetzt wird. Der Gewerkschaftsvorsitzende Davji Atella drohte: „Wir können so lange streiken, wie die Regierung will.“

Auslöser des Streiks war eine weitere Sparmaßnahme: Die Regierung entschied, den Studierenden am Ende ihrer Ausbildung keine Stellen für das praktische Jahr zuzuteilen - wohl aus Geldmangel. Doch ohne die geht es nicht. Weil so viele ausgebildete Ärztinnen und Ärzte fehlen, übernehmen die Studierenden zum Ende ihrer Lehrzeit überdurchschnittlich viel Arbeit. Sie bekommen dafür umgerechnet weniger als 500 Euro im Monat.

Hinter dem Ärztemangel steht ein strukturelles Problem. Laut einer Analyse der panafrikanischen Wochenzeitung „The Continent“ arbeiten etwa 55.000 in Afrika ausgebildete Ärztinnen und Ärzte in 15 der weltweit reichsten Länder, zum Beispiel in Großbritannien, Kanada oder auch Deutschland. In Kenia stellen sich schon an den Universitäten Agenturen und Krankenhäuser aus dem Ausland vor. Verlässliche, aktuelle Zahlen gibt es kaum.

Die Abwanderung trägt zur schlechten Gesundheitsversorgung bei. In Kenia kamen 2021 auf 100.000 Einwohner 27 Ärzte. Für eine flächendeckend ausreichende Gesundheitsversorgung braucht es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 450 ausgebildete Krankenpfleger und Ärztinnen pro 100.000 Einwohner.

Und so geht es vielen Streikenden nicht nur um mehr Geld, sondern auch ein besseres Gesundheitswesen insgesamt. „Wir fordern, dass die Regierung der Gesundheitsversorgung Priorität einräumt“, sagt etwa Angela, die vergangenes Jahr ihren Abschluss in Zahnmedizin absolviert hat. Den Menschen müsse der Zugang zu grundlegenden Behandlungen ermöglicht werden. Der Regierung wirft die 25-Jährige, die nur mit Vornamen genannt werden möchte, vor, Steuergelder für „absurde Dinge“ auszugeben.

Ein Vorwurf, der auf den Demonstrationen immer wieder erhoben wird. Und auch die kenianische Zeitung „Daily Nation“ hatte kürzlich eine Liste mit Beispielen für aus ihrer Sicht verschwendete Ausgaben im Blatt: ein Stuhl für einen Gouverneur für 4.500 Euro, 22.000 Euro für bedruckte Regenschirme. Staatsminister verdienen 6.500 Euro im Monat.

Doch als sich Präsident William Ruto am Sonntag nach Wochen erstmals zum Streik äußerte, sagte er nur knapp: „Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und die Wahrheit ist, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten leben müssen, wir können uns kein Geld leihen, um Gehälter zu zahlen.“

Ein Gericht gab den Streikenden und der Regierung nun bis zum 17. April Zeit, um sich zu einigen. Innenminister Kithure Kindiki drohte bereits mit der Polizei. Es sieht also nicht so aus, als würde die Regierung ihre Prioritäten ändern.