Hannover (epd). Deutschland muss aus Sicht des früheren deutschen Botschafters im Irak, Ekkehard Brose, mehr Führungsverantwortung in der Welt übernehmen. „Wir sind kein politischer Zwerg mehr“, sagte Brose am Donnerstagabend in Hannover.
Die jetzige Generation der Deutschen sei mit dem Bewusstsein aufgewachsen, zwar ein wirtschaftlicher Riese zu sein, politisch und militärisch aber wenig Verantwortung zu tragen. Dafür habe es nach dem Zweiten Weltkrieg auch gute Argumente gegeben. Aber diese Zeit sei vorbei: „Das hält keine hundert Jahre, das ist der Lauf der Geschichte.“
Lange Zeit hätten die Deutschen gedacht, die Amerikaner würden im Ernstfall schon die Kastanien für sie aus dem Feuer holen, sagte Brose bei einer Veranstaltung der evangelischen Hanns-Lilje-Stiftung. Inzwischen nähmen die anderen Staaten der Bundesrepublik diese Rolle aber nicht mehr ab. „Wir werden gesehen als jemand, der Verantwortung übernehmen muss. Das ist der Preis dafür, dass wir reich sind“, sagte der Diplomat. Er empfahl den Deutschen unter anderem, den Ländern des Globalen Südens aufmerksam zuzuhören. Brose war von 2014 bis 2016 Botschafter im Irak. Von 2019 bis 2023 war er Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin.
Die Sprecherin der Plattform „Zivile Konfliktbearbeitung“, Ute Finckh-Krämer, widersprach dem Ex-Botschafter. Sie habe nicht den Eindruck, dass die Bundesrepublik zu Zeiten der Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) politisch verzwergt gewesen sei, sagte die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete. Zudem sei Deutschland ein Riese bei der humanitären Hilfe.
Finckh-Krämer warb für gewaltfreie Lösungen und wies darauf hin, dass das mittelamerikanische Land Costa Rica gerade durch seine neutrale und pazifistische Ausrichtung zu Wohlstand gekommen sei. 1948 war dort die Armee abgeschafft worden. „Wir müssen friedenstüchtig werden“, sagte Finckh-Krämer und trat damit der Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) entgegen, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden. Eine solche Aussage löse Ängste aus, weil sie den Eindruck erwecke, als sei ein Krieg unabwendbar, kritisierte die Pazifistin.