Bremen, München (epd). In einer wissenschaftlichen Analyse zu sexualisierter Gewalt in der Bremischen Evangelischen Kirche werden der Kirche massive Versäumnisse vorgehalten. In der am Freitag veröffentlichten Studie des Münchner Institutes für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) heißt es, die vonseiten der Kirche behauptete Aufarbeitung habe nicht stattgefunden.
Konkret geht es um den Fall des Bremer Dompredigers Günter Abramzik (1926-1992), der als prominente Persönlichkeit Kultur und Gesellschaft in der Hansestadt über Jahre mitgestaltet hatte. Die Analyse des IPP ergab, dass Abramzik gegen mindestens 17 Jungen - fast ausschließlich Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren - sexualisierte Übergriffe begangen hat.
Abramzik war zwischen 1958 und 1992 Domprediger, Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs wurden erst 2022 durch Medienberichte öffentlich. „Ein Betroffener hatte bereits 2010 die von dem Domprediger verübte sexualisierte Gewalt der Bremischen Evangelischen Kirche gemeldet“, heißt es in der Tiefenanalyse. Sie wurde im Auftrag der Landeskirche als Teil der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie erarbeitet.
Zwar habe der Betroffene den Umgang der Institution mit ihm als respektvoll empfunden, heißt es in der Teilstudie. Aber im weiteren Verlauf seien keine Versuche unternommen worden, auch andere Betroffene ausfindig zu machen. Die Kirche habe es über Jahre versäumt, die Öffentlichkeit über die Vorwürfe gegen den prominenten Domprediger zu informieren.
Das IPP empfiehlt vor diesem Hintergrund eine wissenschaftliche Untersuchung zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie müsse mit einem breit gestreuten öffentlichen Aufruf verbunden werden, der sich an Personen richte, die innerhalb der Kirche sexualisierte Gewalt erfahren hätten.