Berlin (epd). In Deutschland leisten Frauen im Vergleich zu Männern deutlich mehr häusliche Altenpflege als in anderen europäischen Staaten. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Die Ungleichheit der Pflegearbeit zwischen den Geschlechtern ist demnach in den Ländern kleiner, in denen mehr Geld für die professionelle Pflege bereitgestellt wird. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) darüber berichtet.
Täglich und wöchentlich pflegen Frauen in Deutschland demnach Angehörige und andere pflegebedürftige Menschen doppelt so häufig wie Männer. Damit befinde sich Deutschland beim Gender Care Gap, also dem Unterschied in der Pflege zwischen den Geschlechtern, im Mittelfeld der europäischen Länder. „Der Gender Care Gap ist in den Ländern kleiner, in denen mehr Geld für das formelle Pflegesystem ausgegeben wird“, sagte DIW-Forscher Peter Haan.
Für die Studie „Ausbau der Pflegeversicherung könnte Gender Care Gap in Deutschland verringern“ verglichen die Forscher 17 europäische Länder. In einigen dieser Staaten seien die privaten Pflegeleistungen zwischen den Geschlechtern weniger ungleich verteilt, heißt es in der Studie. Dazu gehörten etwa Portugal, Schweden, die Schweiz, Italien, Polen und Frankreich.
Als einen der Gründe für die ungleiche Aufteilung der Pflegearbeit zwischen den Geschlechtern sehen die Forscher den Arbeitsmarkt: In Deutschland gingen Frauen seltener einer Erwerbsarbeit nach und verdienten weniger, weshalb sie öfter als Männer für die Pflege von Angehörigen ihre Arbeitszeit reduzierten oder die Erwerbstätigkeit ganz aufgäben. Eine Reform des Ehegattensplittings und die Verbesserung der Betreuung von Kindern, die eine Vollzeiterwerbstätigkeit von beiden Eltern ermöglichen würde, könnte nach Ansicht der Experten dazu beitragen, die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren.
Nach Auffassung der Autoren kann Deutschland von den Ländern mit geringem Gender Care Gap wie Schweden oder Schweiz lernen und mehr in formelle Pflege investieren, um Angebot und Qualität zu erhöhen und um den Aufwand der Angehörigen für die Pflege zu reduzieren. „In einer klugen Mischung könnten die höheren Ausgaben für die formelle Pflege aus Steuern oder höheren Beiträgen zur Pflegeversicherung finanziert werden. Zudem könnte die Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung ausgeweitet werden“, schrieben die Berliner Forscher.