Berlin (epd). Nach Bekanntwerden eines Treffens von hochrangigen AfD-Vertretern, Neonazis und Unternehmern, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein sollen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Schutz aller Menschen durch das Grundgesetz betont. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, erklärte Scholz am Donnerstag auf der Internetplattform X, vormals Twitter. „Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist“, ergänzte er.
Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei „ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, erklärte Scholz: „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis.“ Demokratinnen und Demokraten müssten zusammenstehen.
„Correctiv“ hatte am Mittwoch Ergebnisse einer Recherche über ein Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende November veröffentlicht. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt. Danach sollen nach dem Willen der Rechtsradikalen nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen müssen, sondern auch deutsche Staatsbürger mit internationalen Wurzeln.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte bei X, die Recherche zeige, dass sich niemand weiter Illusionen machen könne über die eigentlichen Ziele von Teilen der AfD. „Sie sind der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus. Sie wollen Chaos und Unheil über unser Land bringen“, schrieb sie und versprach den Menschen, die sich nun Sorgen machten, „wir sind an eurer Seite“.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte dem MDR, er habe sich „an den dunkelsten Teil unserer jüngeren Geschichte erinnert gefühlt“. In der Runde seien „im Prinzip Deportationen nach Afrika“ besprochen worden. Auch wenn es nur wenige AfD-Mitglieder sind, die beteiligt gewesen sein sollen, seien „solche Vorgänge extrem bedeutsam“ und könnten Rückschlüsse auf die Partei geben, sagte Schuster.
Die Enthüllungsgeschichte befeuert erneut die Debatte über einen Antrag für ein Verbot der AfD, den Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen müssten. Nach Ansicht des Rechtsextremismus-Forschers Gideon Botsch liefert die Recherche Argumente für ein Verbotsverfahren. Die bekannt gewordene Zusammenkunft vom November berühre „Grundprinzipien unserer Verfassung“, sagte der Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam im RBB-Inforadio.
Es gehe nicht mehr darum, wie rechtsextrem die AfD sei, sondern wie verfassungswidrig sie sei und welchen Spielraum sie für die Umsetzung ihrer Ziele habe, sagte er. Einen Unterschied zum damaligen Verfahren gegen die NPD sieht er darin, dass „wir jetzt eine Partei haben, die in der Lage ist, an diesen Zielen wirkungsvoll zu arbeiten“. Das NPD-Verbotsverfahren war 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen an der Bedeutungslosigkeit der Partei gescheitert.
Der evangelische Theologe Thorsten Latzel kritisierte die AfD vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse scharf. „Die AfD schürt Ängste und versucht die Gesellschaft zu spalten“, sagte der rheinische Präses in einem auf Facebook und Instagram veröffentlichten Video. Die Partei sei rassistisch und frauenfeindlich, sie höhle die Menschenrechte aus und nivelliere die Verbrechen der NS-Zeit.